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DER GUTE MEDIKAMENTENFÜHRER


GESUNDE STIMMUNGS-BOOSTER FÜR DIE GANZE FAMILIE
EIN LEITFADEN FÜR VERANTWORTUNGSVOLLE ELTERN

EINFÜHRUNG

Können wir auf immer und ewig glücklich und zufrieden sein? Vielleicht. Unser Interesse an den genetisch vorprogrammierten Stadien der Erhabenheit, wie sie im Hedonistischen Imperativ skizziert sind, ist bestimmt vom Wissen um die Unwahrscheinlichkeit, sich daran erfreuen zu können. EMan kann leicht behaupten, dass unsere Nachkommen jeden Moment ihres Lebens als magische Offenbarung erleben werden. Für die emotional Einfachen und unsere Lieben in der heutigen Zeit beinhaltet das Leben meist nichts dergleichen. In den kommenden Jahrhunderten könnte unser emotionales Wohlbefinden zwar alles übertreffen, was mit der alten menschlichen Wetware auch nur vorstellbar ist. Derzeit jedoch scheint jegliche künftige post-darwin'sche Ära einer Paradiesgestaltung entsetzlich weit entfernt. Der Großteil der heutigen Gesellschaft hat einen hoffnungslos unterentwickelten Begriff von geistiger Gesundheit.

Es besteht offensichtlich ein starker kausaler Zusammenhang zwischen der grundlegenden biologischen Fähigkeit, Glück zu erleben und dem Ausmaß, in dem man sein Leben als lebenswert empfindet. Anspruchsvolle philosophische Abhandlungen sollten das Primat der Lust-Schmerz-Achse ausführlich behandeln, jedoch nicht durcheinander bringen. So besteht eine praktikable Methode der Lebensbereicherung darin, für alle im Hier und Jetzt auf chemischem Weg glücklichere Gehirne zu schaffen. Doch wie kann dies am besten bewerkstelligt werden?

Jegliche Vorgehensweise, die nicht die eingebaute hedonische Tretmühle unserer inhibitorischen Feedback-Mechnismen im ZNS untergräbt, wird fehlschlagen. Politische und sozio-ökonomische Reformen sind bestenfalls armselige Notlösungen. Für den wissenschaftlichen Naturalisten müssen alle Wege zum Glück letztlich biologischer Natur sein - "Kultur" und "Gesprächstherapie" gleichermaßen müssen neurochemisch kodiert werden, damit sie überhaupt eine Auswirkung auf die Psyche haben. Einige dieser Wege zum Glück beinhalten die traditionellen umweltbedingten Umwege. Sie sind zu technisch, zu vielfältig und zu unnütz, um sie hier aufzugreifen. Wenn unsere Lebensqualität langfristig deutlich verbessert werden soll, muss der genetisch festgelegte Sollwert unseres emotionalen Thermostats neu kalibriert werden. Die vom Unwohlsein geprägte Norm, wie sie in der Umwelt unserer menschlichen Vorfahren in der Regel adaptiv war, muss verworfen werden. Während wir darauf warten, dass Keimbahn-Therapie zur Förderung geistiger Super-Gesundheit zum Standard werden kann, lohnt es sich, darüber nachzudenken, wie der gewöhnliche Homo Sapiens des frühen 21. Jahrhunderts nur durch Anwendung heutiger Pharmakologie sein emotionales Wohlbefinden nachhaltig maximieren kann. Nicht weniger wichtig ist die Frage, wie es möglich ist, sich dauerhaft "besser als gut" zu fühlen und dennoch das Verständnis von sozialer und ethischer Verantwortung gegenüber anderen Menschen und Lebensformen aufrechtzuerhalten.

Das Gewinnen zuverlässiger Informationen über dieses Thema ist sowohl für Laien als auch für Fachleute extrem schwierig. Laien sind wahrscheinlich einer sehr stark eingefärbten Propaganda ausgesetzt. Ungeschönte Fakten könnten ihren angeblich ungebildeten und funktional kleinen Geist verwirren. Karriere-Wissenschaftler andererseits werden von einem anderen Problem geplagt. Der Zugang zu Geldern, Laboratorien, Rohstoffen, journalistischen Publikationen, beruflichem Weiterkommen, Lizenzen zum Durchführen von Versuchen hängt davon ab, ob die Forschungen jene Ergebnisse liefern, die die Geldgeber sehen wollen. Die Negativanreize für intellektuelle Rechtschaffenheit könnten kaum größer sein. Und sie sind unter einem solch ehrenwerten Deckmantel verborgen.

Zum Zweck der Illustration lohnt es sich, ein weit hergeholtes Szenario zu betrachten. Wie könnte ein Ewig-Glücklich-Medikament - ein Medikament, das (unwahrscheinlicherweise!) jemanden, der es einmal eingenommen hat, auf immer glücklich und zufrieden leben lässt - in der Literatur beschrieben sein?

"Substanz X verursacht schwere und irreversible strukturelle Schäden des Neurotransmitter- Subsystems Y. Die Folgen sind unter anderem stimmungskongruente kognitive Wahnvorstellungen, behandlungsresistente Euphorie, sowie toxisch affektive Psychose."

Kreisch! Unnötig zu sagen, dass kein verantwortungsvoller Erwachsener mit einem solch potenten Nervengift dieser Machart herumpfuschen würde.

Etliche exzellente Forscher halten sich an die Spielregeln. Sie behalten ihre heterodoxen Ansichten für sich. Andere finden eine solche kognitive Dissonanz zu unerfreulich. Also internalisieren sie schrittweise die puritanische Rolle und die Tendenz zu einer verzerrten wissenschaftlichen Schreibweise, die man von ihnen erwartet [während gequälte nicht-menschliche Versuchstiere beispielsweise "gebraucht" und "geopfert" werden, werden bestimmte sozial tabuisierte Drogen immer von "Drogenabhängigen missbraucht"]. Dagegen wurden einige der originärsten und produktivsten Köpfe im Bereich der Psychopharmakologie - insbesondere Alexander Shulgin - bereits zum Schweigen gebracht. Viele weitere Karrieren wurde intellektuell im Keim erstickt oder fielen der fachlichen Vergessenheit anheim. Die Gefahr, die Brunnen des Wissens zu vergiften, aus welchen Motiven auch immer, ist eindeutig gegeben. Wenn junge Menschen herausfinden, dass man sie beispielsweise über Cannabis belogen oder getäuscht hat, werden sie verständlicherweise davon ausgehen, dass man sie auch über die Gefährlichkeit von anderen illegalen Drogen belogen oder getäuscht hat. Und das wäre, vorsichtig ausgedrückt, außerordentlich unbesonnen.

Seit kurzen liefert das Internet täglich eine unkontrollierbare Flut neuer Ideen, um gegen offizielle Fehlinformationen vorzugehen. Einige dieser Online-Literatur, z. B. Erowid, ist erstklassig. In seiner besten Form stellt Wikipedia gedruckte Publikationen in den Schatten. Leider ist eine Menge des im Netz veröffentlichten Materials inhaltlich oder stilistisch nicht wesentlich objektiver als die Fachzeitschriften, die es komplementiert. Medizinisches Ghostwriting, nicht eingestandene Interessenskonflikte und Publikationsbias sind endemisch bei akademischen Zeitschriften mit "Peer-Review"; aber methodologische Exaktheit ist auch in der wissenschaftlichen Gegenkultur selten. Ein eigenes System des Filterns und der Qualitätskontrolle zu entwickeln, um die Störungen auszublenden, ist eine herausfordernde Aufgabe für jeden.

EINIGE SACKGASSEN

Ein eindrucksvoll ungeeigneter Weg zu einem Leben voller Glück ist das Einnehmen von nicht nachhaltigen Psychostimulantien wie Kokain oder Amphetamin. Deren kurzfristige Aktivierung des sympathischen Nervensystems verbessert tendenziell die Gestimmtheit, erhöht Motivation und Energieniveau. Die Anwender neigen dazu, viel zu reden. Das Selbstvertrauen wird gesteigert: Es sind "Power-Drogen". Körperliche Kraft und geistige Schärfe erhöhen sich in unterschiedlichem Ausmaß. Während Kokain die neuronale Wiederaufnahme der Katecholamin-Neurotransmitter Noradrenalin und Dopamin blockiert, bewirkt Amphetamin deren synaptische Freisetzung in einem wesentlich höheren Ausmaß. Amphetamin ist gröber, hält länger an und ist preisgünstiger.

In beiden Fällen sollte jedoch die libertäre Entrüstung darüber, dass sich der Staat erdreistet, seine Bürger einer Bewusstseinskontrolle im totalitären Stil unterwerfen, die Tatsache verschleiern, nicht dass diese Drogen für die meisten Zwecke ungeeignet. Dies deshalb, weil das Zentralnervensystem ein Netz von wechselseitig inhibitorischen Feedback-Mechanismen unterstützt. Als Reaktion auf eine kurzfristige Erhöhung der stimmungsausgleichenden Monoamine in den Synapsen, regulieren die Gene und neuronalen Rezeptoren nach. Bestenfalls erzielen Sie also keinen wirklichen langfristigen Nutzen vom Gebrauch solcher Präparate. Weder Kokain noch Amphetamin bewirken eine nachhaltige Aktivierung der intrazellulären Signaltransduktionskaskaden, was nötig wäre, um die hedonische Tretmühle zu überlisten und uns dauerhaft glücklich zu machen.

Manche Menschen nehmen über Jahre hinweg gelegentlich Psychostimulantien ein, ohne dadurch ernsthaften Schaden zu nehmen. Doch das mögliche Risiko negativer physischer, psychischer und sozialer Nebenwirkungen ist hoch. Ihre Verwendung jenseits von Narkolepsie und vielleicht ADHS ist absolut nicht zu empfehlen.

Die "beruhigenden" Opioide sind etwas harmloser. Sie sind effektive Schmerzstiller. Opioide können auch extrem angenehm sein. In der klassischen Antike klassifizierte Aristoteles - zugegebenermaßen nicht immer die größte Autorität auf medizinischem Gebiet - Schmerz als Emotion. Opium war ein traditionelles Heilmittel gegen Melancholie; seine Wirksamkeit ist der von Fluoxetin wohl überlegen, obgleich keine kontrollierten klinischen Vergleichsstudien vorliegen. Bei "Tiermodellen" kehren Opioide depressives Verhalten, erlernte Hilflosigkeit und die mit klinischer Depression einhergehenden neuroendokrinen Reaktionen um. Dagegen werden sie durch Opioidantagonisten wie beispielsweise Naloxon verschärft. Um die Angelegenheit noch weiter zu komplizieren, haben Menschen, die an Depressionen leiden, in der Regel eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit; und moderne "Antidepressiva" können ihrerseits als "physische" Schmerzstiller fungieren. Umgekehrt bieten Mü-Opioid-Rezeptoragonisten sowohl unübertroffene Schmerzlinderung als auch außergewöhnliches emotionales Wohlbefinden. Delta-Opioidagonisten und Enkephalinase-Hemmer können als Antidepressiva fungieren. Es besteht eindeutig eine enge Verbindung zwischen "physischem" und "emotionalem" Schmerz. Trotz dualistischer Metaphysik tendieren Opioide dazu, gut gegen beides zu sein.

Die zeitgenössische medizinische Orthodoxie klassifiziert durch Medikamente hervorgerufenes Glück als eine "negative Nebenwirkung" von Opioid-Analgetika - selbst bei unheilbar Kranken. Dies könnte jedoch bei uns allen so sein, wären unsere angeborenen Endorphin-Systeme angereichert. Später in diesem Jahrhundert, und darüber hinaus, könnten die individuell angepassten, ortsspezifischen Nachfolger der heutigen Opioid-Medikamente eine entscheidende Rolle bei der Förderung emotionaler Super-Gesundheit spielen. Beispielsweise ist die Synthese von JDTic einer der aufregendsten Durchbrüche der Forschung der letzten Jahre. JDTic wirkt nachhaltig gegen Angst und stimmungsaufhellend. Es ist der erste oral aktive, selektive Kappa-Opioidantagonist. Kappa ist der "hässliche" Opioidrezeptor, dessen endogener Ligand das Dynorphin ist. Das Dynorphin/Kappa-Opioidrezeptor-System ist beteiligt an den unangenehmen Gemütsverfassungen, die von chronischem, unkontrollierten Stress verursacht werden. Wiederholter Gebrauch von Kokain, Heroin, Äthylalkohol und anderen euphorisierenden Drogen bewirkt auch ein kompensatorisches Hochregeln des Dynorphin/Kappa-Opioidrezeptor-Systems, was Angst, Anhedonie und Dysphorie hervorruft. Während Mü-Opioid-Rezeptoragonisten durch eine Steigerung der Dopaminausschüttung im Nucleus Accumbens Euphorie auslösen, hemmt die Aktivierung von Kappa-Opioidrezeptoren die Dopaminausschüttung in den mesolimbischen Terminals. Dieser Mangel ist subjektiv unangenehm, da das mesolimbische Dopaminsystem den hedonischen Tonus und die Fähigkeit, Freude zu empfinden (oder vorwegzunehmen) reguliert. Dopamin ändert auch die Schwelle der Schmerzempfindung. Ab 2009 müssen noch kontrollierte klinische Tests mit JDTic oder seinen Entsprechungen mit Menschen durchgeführt werden. Doch die Ergebnisse bei nicht-menschlichen "Tiermodellen" sind ermutigend.

Leider ist die gegenwärtige Verwendung von Opioiden beim Menschen mit Makeln behaftet. In konstanter Dosierung angewandt, verlieren sie einige ihrer euphorisierenden und analgetischen Wirkungen, sobald eine Toleranz einsetzt; opioide Medikamente machen körperlich abhängig. Überdosierung kann Hyperventilation hervorrufen; andererseits kann auch körperlicher Schmerz als ein starker Auslöser von Hyperventilation wirken. Wenn zur Entspannung eingenommen, können Opioide zu einem träumerisch zufriedenen Losgelöstsein von den Problemen der Welt führen. Ihre Verwendung verringert unseren Antrieb zu konstruktiver Aktivität als Konsumenten im heutigen globalen Konkurrenz-Marktplatz. Heimtückischer beim exzessiven Gebrauch von Narkotika ist, dass sie die Freisetzung von endogenen Opioiden hemmen, die normalerweise an der sozialen Interaktion mit Freunden und Familie beteiligt sind. Da das Verlangen nach menschlicher Gesellschaft nachlässt, ersetzt der Abhängige eine Form von Opioidabhängigkeit durch eine andere. Daher sind Junkies in der Regel "egoistisch".

Die körperlichen Risiken von Opioiden sollten nicht aufgebauscht werden. Die meisten Probleme, unter denen der Nutzer leidet, rühren letztendlich weniger von der Wahl der Droge selbst her, sondern vom illegalen Status, den Narkotika in einer prohibitionistischen Gesellschaft haben. Doch selbst, wenn diese Drogen legal wären und in Cornflakes-Packungen angeboten würden, wären sie als Stimmungsaufheller keine gute Wahl - zumindest nicht in ihrer derzeitigen, grob unspezifischen Form. Kappa-Rezeptoragonisten beispielsweise beeinträchtigen die Dopaminfunktion. Sie haben dysphorische und psychotominetische Wirkung: ebenso kann man auch Äthylalkohol mit Methylalkohol würzen. Die Paradies-Ingenieure der Nachwelt werden solche Verfälschungsmittel sicherlich aus ihren Elixieren allesamt ausmerzen.

Im Gegensatz zu den heutigen Opioiden macht Marihuana gewöhnlich nicht im traditionellen Sinne süchtig. Dennoch kann es eine Abhängigkeit bewirken. Marihuana hat euphorisierende, psychedelische und sedative Eigenschaften. Experimente mit berauschten Ratten deuten darauf hin, dass Cannabis die Menge des CRH (corticotrophin-releasing Hormone) in der Amygdala reduziert. Übermäßige Ausschüttung des CRH steht in Zusammenhang mit Abnormitäten der HPA-Achse und Depression. Die Rebound-Anstieg des CRH bei verringertem Cannabis-Gebrauch geht mit erhöhter Stressanfälligkeit und Entzugserscheinungen einher, zugegebenermaßen ein guter Grund, nicht nach dem ersten Mal aufzuhören. Ein durch Stress verursachtes Endocannabinoid-Defizit im Gehirn kann bei Benutzern und Nicht-Benutzern gleichermaßen Melancholie hervorrufen. Eine dysfunktionale Reaktion auf Stress in Verbindung mit einer chronisch überaktiven HPA-Achse verursacht Angststörungen und Depressionen; CRH-Typ-1-Rezeptorantagonisten wie Antalarmin werden als potentielle Anxiolytika und Antidepressiva untersucht. Die tieferen Wurzeln unseres Unwohlseins liegen in unserer evolutionären Vergangenheit begraben.

Die wichtigste psychoaktive Substanz in Marihuana ist THC, Tetrahydrocannabinol. Das Rauchen oder die orale Einnahme von Marihuana und dessen komplexen Zutaten-Cocktail ruft nur selten Episoden von Depersonalisation, Derealisation und Psychosen hervor. Manchmal kann es Paranoia auslösen, vor allem bei den Verfechtern von "War Against Drugs". Meist jedoch berauscht Marihuana den Benutzer in harmloser und angenehmer Weise. Es macht Spaß. Schläfrigkeit, Schmerzlinderung und Euphorie sind typische Reaktionen. Cannabinoid CB(1)-Rezeptoragonisten sind potentielle Antidepressiva. Tatsächlich können Cannabinoide neuroprotektiv gegen die Auswirkungen von Stress wirken. Im Gegensatz dazu können Cannabinoid CB(1)-Rezeptorantagonisten/inverse Agonisten, wie das neue, EG-lizensierte Diät-Medikament Rimonabant (Acomplia), Depression und Angst auslösen. Tatsächlich wurde die erste aus dem Gehirn stammende Substanz, von der man wusste, dass sie an unsere Cannabisrezeptoren andockt, "Anandamid" genannt, abgeleitet vom Sanskrit-Wort für innere Zufriedenheit. High zu sein kann als harmloser Zeitvertreib in einer gleichgültigen Welt dienen.

Doch Marihuana ist keine Wunderdroge. Häufig beeinträchtigt es die kognitiven Fähigkeiten des Benutzers, wenn auch nur mäßig und reversibel. Marihuana stört die Gedächtnisformierung durch Unterbrechen der Langzeit-Potenzierung im Hippocampus. Eine Funktion der endogenen Cannabinoide im Gehirn ist die Förderung von selektiver kurzfristiger Amnesie. Vergessen ist kein ausschließlich passiver Vorgang, wie man vielleicht annehmen würde. Wie auch immer, das bewusste Einnehmen eines amnestischen Agens über einen langen Zeitraum ist wohl kaum ein idealer Lebensplan, vor allem angesichts der zentralen Rolle, die das Gedächtniss für das menschliche Selbstkonzept spielt. Manche Künstler und professionellen Bohemiens halten das Rauchen von Gras offensichtlich für eine Zutat zum kreativen Denken. Für Menschen mit einem eher spießbürgerlichen Naturell, ist es andererseits schwer, eine solche Droge als wichtiges Instrument für Lebensbejahung und Entwicklung der menschlichen Spezies zu betrachten. Dieses Manko, das muss wohl kaum extra gesagt werden, bedeutet jedoch nicht, dass Marihuana-Benutzer verfolgt und kriminalisiert werden sollten. Der Marihuana-Wirkstoff THC dürfte bei der Hemmung der gedächtniszerstörenden Amyloid-Ablagerungen der Alzheimerschen Krankheit den kommerziell lizensierten Produkten sogar überlegen sein.

Die ganz unterschiedlichen Drogen, die wir als "Psychedelika" bezeichnen - Lysergamide wie LSD-25, Tryptamine wie DMT und Psilocybin und Phenylethylamine wie Mescalin - sind bisweilen anregend. Bestenfalls sind sie lebensverändernd und seelenbereichernd. Und sie können gewiss nervenzerfetzend sein. Die Einnahme von starken Psychedelika kann Erfahrungen hervorrufen, die zu befremdlich sind als dass sie in unseren normalen konzeptionellen Bezugsrahmen zu integrieren wären. Wir haben noch nicht einmal Wörter für die eigenartigen neuen Arten von Sinneswahrnehmung, Selbstgefühl und Introspektion, die deren biochemische Bahnen eröffnen.

Leider kann man sich nicht um die Kinder kümmern, die Steuererklärung ausfüllen oder seiner sozialen Verantwortung nachkommen, während man auf einem LSD-Trip ist. Psychedelika sind in der Regel zu bizarr, exotisch und unbeschreiblich in ihren Auswirkungen, um sie in den Rest des Lebens integrieren zu können. Indem sie die meisten von uns im "gewöhnlichen" Wachbewusstsein fängt, ist die egoistische DNA über einen listigen Trick gestolpert, der ihren Vehikeln hilft, mehr Kopien von sich selbst zu produzieren. Schlimmer ist, dass Psychedelika nicht in erster Linie euphorisierend wirken. Sie wirken nicht direkt stimulierend auf die Lustzentren und garantieren dem Benutzer nicht unbedingt einen guten Trip. Sowohl die serotonin- als auch die katecholaminartigen triggern Psychedelia hauptsächlich durch ihre Rolle als Partialagonist des 5-HT2A-Rezeptors im zentralen Nervensystem; 5-HT2-Heterorezeptoren erzeugen eine tonisch-inhibitorische Wirkung auf die striatal-dopaminergen Neuronen. Solche Agentien sind keine verlässlichen klinischen oder Freizeit-Stimmungsaufheller, weder kurz- noch langfristig. Depressive, Neurotiker und andere aufgewühlte Seelen auf der Suche nach Erleuchtung erleben aller Wahrscheinlichkeit nach alptraumhafte Trips. Psychotische Derealisation ist nicht erleuchtend - oder spaßig. Der medikamentennaive Geist kann vorab keine fundierte Entscheidung treffen, ob er solche radikal veränderten Zustände erforschen soll. Denn angehende Psychonauten können die wahre Natur dessen, was sie erleben - oder verpassen - nicht im Voraus kennen.

Wenn unser Wohlbefinden schließlich genetisch verdrahtet und unerschütterlich ist, kann Psychedelia sicher erforscht werden. Das Studium des Bewusstseins kann zu einer experimentellen Disziplin werden. Die Synthese künftiger Designer-Psychedelika könnte eine beispiellose intellektuelle Revolution entfesseln. Bis dahin sind psychedelische Drogen zu unberechenbar - und unser dunkler, darwin'scher Geist zu verseucht - als dass deren Einsatz verantwortungsvoll befürwortet werden könnte.

Dagegen bietet die empathogene "Umarmungs-Droge" Ecstasy (Methylendioxymethamphetamin, MDMA) ganz offensichtlich eine wundervoll warme, sinnenhafte, liebende und empathische Gipfelerfahrung für Erstbenutzer, "einen kurzen, flüchtigen Moment geistiger Gesundheit" [Dr. Claudio Naranjo]. MDMA verbessert die Freisetzung von Serotonin und Dopmanin an den synaptischen Terminals; außerdem hemmt es deren Wiederaufnahme. MDMA stimuliert die prosoziale Oxytocin-Ausschüttung durch Aktivierung des Serotonin-5-HT1A-Rezeptors. In der Folge verfliegen Misstrauen, Argwohn und Eifersucht. Sie werden ersetzt durch ein gelassenes Gefühl universeller Liebe. Das Sensorium bleibt klar. Emotionen werden intensiviert. Häufig führt der Gebrauch von Freizeitdrogen zu Egozentrik, und der Gebrauch von Drogen wird oft als egoistisch gebrandmarkt. Doch hier ist ein "Penicillin für die Seele", das verspricht, unsere DNA-gesteuerte Tendenz zur Selbstherrlichkeit zu untergraben.

Enttäuschenderweise, sei es aufgrund von Enzyminduktion oder anderen, nicht vollständig geklärten Ursachen, können die meisten Benutzer den Zauber ihrer ersten Trips nicht in vollem Ausmaß wiedererlangen. Außerdem wirkt Ecstasy neurotoxisch auf serotonerge Axone. Es kann selbst in subtherapeutischer Dosierung schädlich sein. Wenn der ungewisse Prozess der neuralen Erholung einsetzt, kann der Benutzer, vor allem nach ausgiebiger Einnahme, die schleichende, langwierige Umkehr aller guten Wirkungen erleben, die er anfänglich an der Droge geschätzt hat. Die Nachtrip-Einnahme eines selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers (SSRI) wie Fluoxetin (Prozac) etwa 2 bis 6 Stunden später wirkt prophylaktisch gegen das merkliche Post-E-Serotonin-Tief, das ansonsten etwa 48 Stunden später eintritt. Doch die regelmäßige Einnahme von SSRIS hebt die bereits abgeschwächten Wirkungen von dauerndem Ecstasy-Gebrauch weitgehend auf. In jedem Fall beträgt die Dauer der E-Gipfelerfahrung gerade einmal 90 Minuten. Die Einahme von Ecstasy ist also auch keine vollwertige Strategie fürs ganze Leben. Doch bietet Ecstasy einen exquisiten Vorgeschmack auf die schönen Bewusstseinsformen, die uns schließlich erwarten.

Eine weitere verlockende und köstlich sinnenhafte Andeutung des Erhabenen bietet - selten und unvorhersehbar - die 4-Hydroxybutansäure (GHB). GHB ist in der Regel eine klare, geruchlose, leicht salzig schmeckende Flüssigkeit. Im Gehirn ist das GHB-Molekül auch ein endogener Präkursor und Metabolit des inhibitorischen Neurotransmitters GABA. GHB ist ungiftig, aber es darf nicht zusammen mit Alkohol oder anderen Beruhigungsmitteln verabreicht werden. Es wird schnell zu Kohlendioxid und Wasser abgebaut. Die steile Dosierungs-Reaktions-Kurve von GHB hat zur Folge, dass naive Benutzer große Gefahr laufen, einzuschlafen. In leichter, entspannender, anstatt in stuporöser oder anästhetischer Dosierung ist GHB eine gefühlsbetonte Verbindung, die in der Regel tiefe muskuläre Entspannung und ein Gefühl von Gelassenheit und emotionaler Wärme hervorruft. Oft verstärkt es die emotionale Offenheit und den Wunsch nach Gesellschaft. Tastempfinden und Wertschätzung von Musik werden gesteigert. Am bemerkenswertesten ist, dass der Benutzer bei moderater Anwendung nach einem tiefen, geruhsamen Schlaf erfrischt erwacht: GHB scheint die Dopamin-Ausschüttung zeitweilig zu hemmen, während es dieses gleichzeitig verstärkt speichert, was bei einem nachfolgenden "Dompamin-Rebound" zu aufgehellter Gestimmtheit und geschärfter geistiger Konzentration führt. GHB wirkt sowohl als Disinhibitor und als Aphrodisiakum. Die Intensität des Orgasmus wird gesteigert. Daher ist GHB möglicherweise hilfreich bei der Linderung der Psychopathologien von Prüderie und sexueller Hemmung. Leider wurde sein therapeutischer Wert durch seine Verteufelung in den Massenmedien verfinstert. Geschichten von keuschen Jungfrauen, die zu sexbesessenen Nyphomaninnen wurden, mögen Eindruck schinden, zeugen jedoch von wissenschaftlicher Armseligkeit. Darüber hinaus wird GHB bisweilen verwechselt mit der amnestischen "Vergewaltigungsdroge" Benzodiazepin, Flunitrazepam - besser bekannt als potente und schnell wirkende sedativ-hypnotische "Vergiss-Pille" Rohypnol. Wenn man es auf der Straße kauft, kann man GHB auch mit allen möglichen anderen Substanzen verwechseln.

Doch selbst reines GHB ist kein Wunderelixier. Nicht jeder mag es. Die psychischen Auswirkungen von GHB sind unvorhersehbar und nur unzureichend geklärt. Sein therapeutischer Index ist relativ klein. Übelkeit, Benommenheit, Koordinationsstörungen treten häufig auf, die Reaktionszeit verlangsamt sich. GHB führt nicht zu einer besonderen Gedankentiefe. Sein Status als eine "beinahe ideale schlafeinleitende Substanz" macht es für die, die stattdessen intensivere Wachheit anstreben, nur eingeschränkt verwendbar. Das Fehlen einer jeglichen feststellbaren Opferzahl, um die periodisch auftretende moralische Panik, die seine Verwendung verursacht, anzufachen, könnte eine teilweise Rehabilitation ermöglichen. Doch GHB bietet - bestenfalls - einen matten, flüchtigen Abklatsch des lebenslangen chemischen Nirwanas, das unseren transhumanen Nachfahren offen steht.

Äthylalkohol - traditionelle Vergewaltigungsdroge erster Wahl - und, am allerheimtückischsten, Zigaretten, sind die wirklich üblen Massenkiller. Ein Bericht, der im März 2007 in The Lancet veröffentlicht wurde, stuft Alkohol und Tabak als schädlicher für die menschliche Gesundheit ein als LSD. Die Gesamtanzahl der dadurch verursachten Todesopfer beträgt bis heute etwa 100 Millionen, und sie steigt weiter. Ein Bericht der Weltgesundheitsorganisation vom Februar 2008 prognostiziert, dass die Anzahl von Todesopfern durch Tabakmissbrauch bis zum Jahr 2100 etwa eine Milliarde betragen könnte. Mit dieser pokergesichtigen Alice-im-Wunderland-Logik, wie sie bei den heruntergekommenen Regierungen dieser Welt verbreitet ist, halten die Machthaber nicht nur hier in Großbritannien den legalen Status des Zigarettenverkaufs aus Gründen der Wahrung persönlicher Freiheit aufrecht. Die teure Hochglanzwerbung und die Verherrlichung von Tabakprodukten gegenüber potentiellen Opfern ist aus ähnlichen Gründen sanktioniert. Wir sollten genauso schockiert über Tabakwerbung sein, wie wir es sicherlich wären, wenn die Plakate Jugendliche stattdessen zum Heroinkonsum anhalten würden, weil es "cool" ist. Doch Gewohnheit erzeugt moralische Gleichgültigkeit. Junge Menschen sind in der Regel bereits abhängig, bevor sie irgendeine Art von fundierter Entscheidung über das von ihnen bevorzugte Gift treffen können - oder vielleicht sogar vollständig darauf verzichten. Zwischenzeitlich zielt eine staatlich unterstützte Exportkampagne auf die Armen in gefährdeten Dritte-Welt-Ländern. Mit einem beinahe unfassbaren Zynismus hat eine bekannte britische Ex-Premierministerin Schmiergeld in Höhe von einer Million Dollar von einem führenden Vertreter der Zigarettenindustrie für ihre Dienste angenommen. Der Innenminister ihrer Partei ließ grauenerregende Rufe nach einem harten Durchgreifen gegen die bösen Drogen-Dealer(!) folgen, und verschärfte die ohnehin schon drakonischen Strafen, die auf den Eigengebrauch von Cannabis standen, noch weiter.

Solange unsere Regierungen mit den Tabak-Drogenkartellen konspirieren, um Milliarden von Dollar an Steuereinnahmen zu verteilen, um die sie die Nikotinabhängigen gebracht haben - wobei sie direkte Steuern sichtbar niedrig halten, um ihr Gesicht im Amt nicht zu verlieren - scheint wenig Hoffnung auf eine intelligentere Herangehensweise an psychoaktive Drogen in ihrer Gesamtheit zu bestehen.

SCHMUTZIGE STIMMUNGSAUFHELLER

Die landläufig bekannten legalen und illegalen Freizeitdrogen bieten nur armselige Aussichten für eine andauernde biologische Verbesserung der Gestimmtheit. Wie steht es mit der heterogenen Gruppe von Verbindungen, die wenig einladend als Anxiolytika und Antidepressiva bezeichnet werden? Können diese möglicherweise einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität der meisten Menschen leisten. Die offizielle medizinische Lehrmeinung sagt nein. Angeblich können nur Personen mit klinisch sanktionierten psychischen Störungen von solchen Agentien profitieren - obwohl in den vergangenen Jahren schließlich formal anerkannt wurde, dass depressive Störungen, selbst nach den noch immer entsetzlich armseligen Standards für aktzeptables Unwohlsein im frühen 21. Jahrhundert, unterdiagnostiziert und unterbehandelt werden. Ein Großteil der Menschheit passt jedoch noch immer in keine der offiziellen diagnostischen Schubladen. Könnte also "Krankheitserfindung" über therapeutischen Minimalismus triumphieren und unsere Lebensqualität verbessern? Ja. Muss das Ziel der Pharmakotherapie ebenso eingeschränkt sein wie Freuds Anspruch für die Psychotherapie, "das hysterische Leid in gewöhnliches Unglücklichsein zu verwandeln"? Nein.

Zunächst einmal die langweilige, aber entscheidende Einleitung. Optimale Ernährung und Aerobic-Training werden die Wirksamkeit aller hier angepriesenen potentiellen Lebensverbesserer steigern. Eine reichhaltige Versorgung mit Präkursoren (z. B. L-Tryptophan, der geschwindigkeitsbestimmende Schritt bei der Produktion von Serotonin) kann auch die tatsächliche Dosierung reduzieren. Durch eine idealisierte "steinzeitliche" Ernährung, reich an organischen Nüssen, Samen, Früchten und Gemüse, sowie und eine drastische Reduzierung des Konsums von gesättigten Fettsäuren (rotes Fleisch, frittierte Speisen), Zucker (Süßigkeiten, etc.), hydrierten Ölen (z. B. in Margarine und raffinierten Pflanzenölen.) kann die Grundlinie des Wohlbefindens nachhaltig erhöht werden - oder zumindest die des relativen Unwohlseins gesenkt. Auch gibt es immer mehr Anzeichen, dass eine Ernährung, reich an Omega-3-Fettsäuren (oder entsprechende Nahrungsergänzung) schützend gegen Depressionen und andere psychische Störungen wirken. Eine Erhöhung der Folsäure ist ebenfalls ratsam. Die Besucher von HedWeb erwarten wahrscheinlich weder, dass sie mit Predigten über den Nutzen von Leibesübungen noch über Ernährungs-Trends bestürmt werden. Doch regelmäßige und maßvolle körperliche Betätigung setzt endogene Opioide frei, verbessert die Serotonin-Funktion, stimuliert den Nervenwachstumsfaktor, fördert das Zellwachstum im Hippocampus und führt zu einem regeren, besser mit Sauerstoff versorgten Gehirn.

Doch leider sind ein einwandfreies Leben und gesunde Gedanken in der Regel nicht ausreichend. Wir brauchen stärkere Medizin, um zu gedeihen. Auf den ersten Blick jedoch sind die staatlich verordneten Standard-Chemikalien nicht gerade ein großartiges Päckchen.

Die so genannten "schwachen Beruhigungsmittel", die Benzodiazepine, wie z. B. Diazepam (Valium), Chlordiazepoxid (Librium), Alprazolam (Xanax), Lorazepam (Ativan), Clonazepam (Klonopin), und das kürzer wirkende sedativ-hypnotische Temazepam (Restoril) sind nützliche, aber immer noch entsetzlich grobe Anti-Angst-Agentien. Viele Benzodiazepine sind natürlichen Ursprungs: Diazepam beispielsweise findet man in Kartoffeln. Benzodiazepine arbeiten hauptsächlich am GABA (Gamma-Aminobuttersäure)-Rezeptorkomplex. GABA ist einer wichtigsten inhibitorischen Neurotransmitter im zentralen Nervensystem. GABA wird aus einem der wichtigsten erregenden Neurotransmitter, Glutamat, gebildet. Der Fortschritt in Molekularbiologie und Neurogenetik beim Entwirren der teuflischen Komplexität der GABA Rezeptor-Subtypen sollte schließlich die Entwicklung von zielgenaueren Substanzen ermöglichen. Idealerweise sollten diesen selektiven und mehr ortspezifischen Medikamenten die sedativen, amnestischen und hypnotischen Eigenschaften der heutigen Sorten fehlen. Die Aktivierung von GABA(A)-Rezeptoren, die die Alpha-1-Untereinheit enthalten, ist verantwortlich für benzodiazepin-verursachte Sedierung und Gedächtnisdefizite. Man hofft, dass neu synthetisierte Agonisten, selektiv für den Alpha-2-GABA(A)-Rezeptor-Subtyp, letztendlich ein nicht-sedatives Anti-Angst-Medikament liefern. Das in Untersuchung befindliche L838,417 von Merck ist einer dieser Kandidaten. Die Erprobung am Menschen wird mit Spannung erwartet. Das erste Nicht-Benzodiazepin, nicht-sedierend/amnestische Medikament seiner Art, das auf den Markt kommt, könnte Ocinaplon von DOV Pharm. Inc. sein. Ocinaplon ist ein GABA Alpha-2-Modulator. Sein Anti-Angst-Effekt tritt bereits bei einer Dosierung ein, die (angeblich) wesentlich niedriger ist als jene, die messbare Sedierung, Amnesie, Muskelentspannung und Koordinationsstörungen verursacht. Ocinaplon befindet sich in Phase III der klinischen Studien bezüglich ?ngststörungen (Sommer 2005; vorübergehend(?) ausgesetzt im August 2005). In der Zwischenzeit führen derzeit lizensierte Benzodiazepine tendeziell zu Abhängigkeit, beeinträchtigen Gedächtnis und psychomotorische Leistung, dämpfen das Bewusstsein und trüben den Intellekt. Dies birgt also keine großen Chancen auf radikale Lebensbereicherung, zumindest nicht derzeit.

Buspiron (Buspar) könnte erfolgversprechender sein. Es desensibilisiert den inhibitorischen Autorezeptor-5-HT1A-Subtyp des Serotonin-Rezeptors, verändert dadurch die Serotoninausschüttung und fördert (manchmal) die Aufhellung der Stimmung. Daher kann Buspiron bei ängstlich-depressiven Zuständen hilfreich sein. Sein aktiver Metabolit 1-PP ist überdies ein anxiolytischer 5-HT1A-Partialagonist. Buspiron zeigt keine intellekttrübende Wirkung wie die anderen klinischen oder alkoholischen Anti-Angst-Agentien. Es ist kein Muskelrelaxans, und es wirkt nur schwach sedierend. Doch die schwache und fragwürdige Wirkung von Buspiron auf Subtypen der Dopaminfunktion, bedeutet letzlich - obwohl kommerziell verwertbar, da sich mit dem Fehlen von "Missbrauchs-Potential" gut werben lässt - dass Buspiron nicht sehr aufregend und populär ist. Entscheidend ist, dass es, im Gegensatz zu den Benzodiazepinen, kein schnell wirkendes Medikament ist. Es kann mehrere Wochen dauern, bis seine fragwürdige psychische Wirkung wahrgenommen werden kann. Forscher hoffen, dass neuere, in Vorbereitung befindliche 5-HT1A-Agonisten effektiver sein werden. Leider dürfte jeglicher therapeutische Gewinn bescheiden ausfallen. Im Juni 2004 entschied die FDA (Food and Drug Administration), dass Organons Gepiron (Ariza) "nicht zulassungfähig" ist. Im Februar 2007 gaben GlaxoSmithKline und Fabre-Kramer Pharmaceuticals ein exklusives, weltweites Abkommen zur Entwicklung und Kommerzialisierung des Gepirons ER bekannt. Eine Überprüfung seiner Verwendung bei Depressionen durch die FDA wird im Jahr 2009 erwartet.

Oxytocin ist ein natürliches Anti-Angst-Agens: das "Knuddelhormon". Einige Medikamentenhersteller, insbesondere Wyeth, untersuchen dessen patentfähige, synthetische Analoga. Eine erhöhte Oxytocinausschüttung trägt zu der starken prosozialen Wirkung von MDMA (Ecstasy) bei. Oxytocin baut Vertrauen auf, indem es die Aktivität im angstverarbeitenden Kreislauf der Amygdala reduziert. In zulassungsüberschreitender Anwendung kann Oxytocin als intranasales Spray inhaliert werden, um Sozialphobien zu bekämpfen. Es reduziert Schüchternheit und normale soziale Ängstlichkeit. Umstrittener ist die Anwendung von Oxytocin als geruchloses Körperspray, um die Reaktionen anderer Menschen zu manipulieren: "Vertrauen aus der Flasche". Das Sozialpeptid der Natur ist überdies entscheidend für die Paarbindung. In der Zukunft könnte uns die Beherrschung des Oxytocin-Systems eine wesentlich effektivere Kontrolle über das Ausmaß von Treue und Zuneigung zueinander ermöglichen als es Eheversprechen tun. Die soziologischen Auswirkungen des weiträumigen Gebrauchs und Missbrauchs von "sozialem Viagra" wären weitreichend. Man sollte betonen, dass die Forschung über sichere und nachhaltige Bereicherung der menschlichen Oxytocin-Funktion kaum begonnen hat.

Die allerlei verschiedenen Medikamente, die wir heute Antidepressiva nennen, fallen in verschiedene Kategorien. Deren verzögert einsetzende stimmungsaufhellende Wirkung steht in Beziehung mit Veränderungen der Katecholaminen- und/oder Serotoninkonzentration im zentralen Nervensystem, langfristiger Rezeptor-Nachregulierung, Aktivierung bestimmter, die Genexpression regulierender Transkriptionsfaktoren, und dem Wachstum neuer Nervenzellen im Hippocampus. Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts wurden ältere Monoamin-Theorien für die depressive Erkrankung, die während der letzten 40 Jahre unter Forschern populär waren, von der neurogenen Hypothese der Depression und Wirkung von Antidepressiva verdrängt. Das neurogene Modell interpretiert Depression, zumindest deren stärkere Ausprägungen, als neurodegenerative Störung. Chronischer unkontrollierter Stress verursacht Übersekretion von Glucocorticoidhormonen, insbesondere Cortisol. Cortisol aktiviert die Glucocorticoidrezeptoren, die Stoffwechsel, Entzündung und Immunität regulieren. Ein Übermaß an Glucocorticoidhormonen reduziert die Hirnzellen-Proliferation im Hippocampus. Der Hippocampus weist die höchste Rezeptordichte für Glucocorticoide im gesamten Gehirn auf. Durch Stress verursachte Aktivierung der Glucocorticoidrezeptoren führt zum Absterben von Nervenzellen und zu dendritischer Atrophie im Hippocampus; dagegen gibt es ein Synapsenwachstum in der basolateralen Amygdala. Die Amygdala speichert Erinnerungen an emotionale Erfahrungen - häufig unangenehme und Angsterinnerungen. Letztendlich jedoch lässt andauernder Stress auch die Amygdala verkümmern. Diese langfristigen Veränderungen in der Morphologie des Gehirns senken die Stimmung. Sie können bei genetisch gefährdeten Personen zu Anhedonie und Depression führen. Antidepressiva vermindern oder verhindern stressbedingte Nervenschäden und gestörte strukturelle Plastizität, oder machen diese (idealerweise) wieder rückgängig. Wie funktionieren sie tatsächlich? Trotz der explosiven Zunahme von Neurogeschätz weiß das niemand.

Trizyklika, prototypisch Imipramin (Tofranil) und dessen Verbindungen, sind allesamt Verwandte des Neuroleptikums Chlorpromazin. Chlorpromazin, auch bekannt als Largactil, ist eine notorische "chemische Keule". Trizyklika blockieren in unterschiedlichem Ausmaß die Wiederaufnahme von Serotonin und Noradrenalin in die Nervenzellenterminals, von wo sie ausgeschüttet werden. Die daraus folgenden Veränderungen der prä- und postsynaptischen Rezeptor-Empfindlichkeit können den Geist von 60-70% der Depressiven aufhellen, die sie einnehmen. Bei ihrer Herkunft verwundert es unter Umständen nicht, dass Trizyklika allesamt schmutzige Medikamente sind, obgleich einige schmutziger sind als andere. Ihre anticholinergen Wirkungen schädigen Gedächtnis, Konzentration und intellektuelle Leistung. Ihre antihistaminische Wirkung verursacht Benommenheit und Sedierung. Ihre negativen Auswirkungen auf die Herzfunktion machen sie bei Überdosierung gefährlich. Die meisten "euthymischen" Freiwilligen, an denen sie getestet wurden, mögen deren dämpfenden Auswirkungen auf das Bewusstsein nicht. Anders als Chlorpromazin blockieren die trizyklischen Antidepressiva nicht merklich die Dopamin-Rezeptoren. Doch mit einer bemerkenswerten Ausnahme tun sie auch herzlich wenig, um die Dopaminfunktion zu stimulieren. Daher sind sie selbst für die schwer Depressiven, die von ihrer Einnahme profitieren könnten, keine große Freude. Drei Jahrzehnte lang waren sie die Hauptstütze bei der Behandlung von klinischer Depression. Sie haben zu der weitverbreiteten medizinischen Ansicht beigetragen, dass alles, was als Antidepressivum eingestuft wurde, "normalen" Menschen nicht hilft, es sei denn natürlich, sie sind "wirklich" depressiv. Prinzipiell sind Trizyklika billig, scheußlich und sollten generell vermieden werden.

Besser, jedoch noch immer mit zahlreichen Makeln behaftet, sind selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer [SSRIs]. Serotonin, der "zivilisierende" Neurotransmitter, spielt eine entscheidende Rolle bei Stimmung, Gedächtnis, Appetit, Schlaf, Schmerzempfinden und sexuellem Verlangen.

Fluoxetin (Prozac),Fluvoxamine (Luvox, Faverin), Paroxetine (Paxil, Seroxat), Sertraline (Zoloft, Lustral) und Citalopram (Cipramil, Celexa) sind derzeit lizensiert und am Markt. Viele von deren verbesserten bzw. optimierten Verwandten kommen von Pharma-Unternehmen, die bestrebt sind, sich ein lukratives Stück vom Kuchen zu sichern. Als triumphaler Erfolg eines Marketing-Hypes und der kreativen Anwendung des Patentgesetzes, wenn nicht gar aufgrund von klinischem Bedarf, wurde im Jahr 2002 Citalopram S-Enantiomer von der FDA als "Lexapro" zugelassen. Die SSRIs sind alle verschieden hinsichtlich Halbwertszeit, chemischer Struktur und der genauen Spezifität. Deren funktionale Wirkungen sind weitgehend ähnlich, obwohl Prozac am stärksten aktiviert, am längsten anhält, am wenigsten selektiv ist, und mit der größten Wahrscheinlichkeit dosisabhängige Akathisie hervorruft; Paroxetin hat anticholinerge und sedierende antihistaminische Wirkung; Fluvoxamin verursacht meist Übelkeit und hat die kürzeste Halbwertszeit; und Citalopram ist am stärksten serotoninselektiv. Die stimmungsaufhellenden, belastbarkeitsstärkenden und Anti-Angst-Eigenschaften der SSRIs können wirklich dafür sorgen, dass sich ein (sehr) kleiner Teil der Bevölkerung "besser als gut" fühlt. Unvorhersehbarerweise fühlen sich andere Anwender schlechter. Als Gruppe zeigen die SSRIs (meist) nicht die physisch unangenehmen und kognitiv hemmenden anticholinergen Wirkungen der Trizyklika. Die SSRIs erfordern keine Ernährungseinschränkungen wie die MAOIs. Ihr Abhängigkeitspotential und die Entzugserscheinungen sind in der Regeln schwächer als bei Opioiden.

Die (manchmal) segensreichen Eigenschaften der SSRIs werden in Peter Kramers zeitgenössischem Klassiker Listening to Prozac gepriesen. Kramer hat ein bemerkenswert aufrichtiges Buch geschrieben. Es sind ausführliche Erinnerungen eines Therapeuten, der eingestehen musste, dass es vielen seiner Klienten mit einer Pille sehr schnell wesentlich besser zu gehen schien als mit seiner professionellen und fürsorglichen Gesprächstherapie. Kramers Erörterung von "kosmetischer Psychopharmakologie" und "Designer-Persönlichkeiten" erzürnte jedoch die Traditionalisten. Die chemisch-calvinistischen Orthodoxen finden die Vorstellung, dass die Leute ein Recht haben sollen zu wählen, für wen und was sie sich pharmakologisch entscheiden, zutiefst abstoßend. In Against Depression (erschienen im Mai 2005) tritt Kramer dafür ein, dass Depression insgesamt ausgerottet werden sollte.

Zwei allgemeine Probleme schränken die Nützlichkeit der SSRIs ein, zumindest für sich betrachtet. Die Probleme kommen vom indirekten inhibitorischen Effekt, den Prozac-ähnliche Medikamente bisweilen auf die Dopaminfunktion ausüben, eine Folge des gewollt selektiven Ansteuerns des Serotonin-Systems.

  • Erstens können SSRIs Libido und sexuelle Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Dies ist bei übererregbaren jungen Männern nicht immer ein Nachteil; tatsächlich könnte der derzeit unlizensierte SSRI Dapoxetin schon in Kürze als Mittel vermarktet werden, das bei Bedarf gegen vorzeitigen Samenerguss eingesetzt werden kann. Doch können durch SSRIs verursachte sexuelle Dysfunktionen ein höchst quälendes Phänomen für ältere Menschen sein, denen es zu unangenehm ist, darüber zu reden. Technische Leistungsschwierigkeiten können bisweilen durch Einnahme der gefäßerweiternden Wirkstoffe Apomorphin oder Phentolamin, durch den Alpha-2-Adrenozeptor-Antagonisten Yohimbin, einen Phosphodiesterase-Typ-5-Hemmer wie Sildenafil (besser bekannt als Sexual-Raketentreibstoff Viagra), lang wirkendes Tadalafil (Cialis), das neu lizensierte Vardenafil (Levitra) oder einen Dopamin-Agonisten, zugelassen oder nicht, vor dem Zubettgehen ausgeglichen werden. In Untersuchung befindliche Medikamente, die die weibliche Erregung steigern (z. B. Flibanserin oder Melanocortin-Agonisten wie PT-141/Bremelanotid) sind eine weitere Option. In der Tat könnte der unlizensierte Gebrauch der weltersten inhalierbaren, aphrodisischen Sexdroge Vorbote einer beispiellosen kulturellen Revolution sein. Doch Polypragmasie ist wohl kaum eine ideale Lösung für heutige SSRI-Anwender. Eines des Hauptanzeichen für Depression ist der Verlust des sexuellen Interesses und eine eingeschränkte Libido. Es ist daher fraglich, ob FDA und Pharmaindustrie weiterhin antisexuelle serotonerge "Antidepressiva" befürworten und die prosexuellen Antidepressiva verdrängen sollten.

  • Zweitens, obwohl sich mancher Anwender leicht euphorisch fühlen mag, wirken SSRIs bei anderen als Stimmungsstablisierer und Stimmungsnivellierer. Durch eine Erhöhung der emotionalen Selbstgenügsamkeit des Anwenders können SSRIs auch subtil das "Gleichgewicht der Kräfte" in persönlichen Beziehungen verändern - zum Guten oder zum Schlechten. In einigen Fällen können SSRIs sogar als Thymo-Anästhetika wirken, die die Intensität der gefühlten Emotionen vermindern; im Gegensatz dazu können stimmungsaufhellende Serotonin-Wiederaufnahmeverstärker wie Tianeptin (Stablon) Emotionen intensivieren. Ein Abflachen der Gefühle kann für jemanden, der sich in der Grube absoluter klinischer Depression befindet, willkommen sein. Es ist jedoch kaum eine lebensbereichernde Eigenschaft für "normale" Menschen, denen jegliche diagnostische Kategorie, in die ihr Unwohlsein einzuordnen wäre, fehlt.

Ein Rückschlag gegen SSRIs nimmt nun Fahrt auf. Im Februar 2008 ergab eine Meta-Analyse der Public Library of Science von vier häufig verschriebenen Antidepressiva der "zweiten Generation" - unter Verwendung sowohl veröffentlichter als auch von den Herstellern zurückgehaltener Daten - dass SSRIs als Antidepressiva kaum wirksamer sind als Placebos. Der bekannte britische Psychopharmakologe David Healy fällt ein noch vernichtenderes Urteil über die zeitgenössische Psychiatrie: "es gibt wahrscheinlich keine andere medizinische Fachrichtung, bei denen sich die Ergebnisse bei einer zentralen Krankheit ständig verschlechtern [Seite 95; Shock Therapy von Edward Shorter und David Healy (2007)].

DIE DOPAMIN-VERBINDUNG

Was entschieden fehlt ist die therapeutische Anreicherung des hedonischen Tonus durch eine Kombination der Verstärkung der Mü-Opioid-Bahnen und anhaltender Stimulation der meso(cortico)limbischen Dopaminfunktion.

Es macht wirklich viel mehr Spaß als es vielleicht den Anschein haben mag. Doch der sozial verantwortungsvolle Einsatz von Belohnungsbahn-Verstärkung/Heiltherapie ist ein technisches, bioethisches und medizinisch-juristisches Minenfeld. Abgesehen von den Komplikationen haben die derzeit verfügbaren experimentellen Belege viele - jedoch nicht alle - Forscher davon überzeugt, dass das mesolimbische Dopaminsystem als letzter gemeinsamer Pfad für Freude im Gehirn dient. Verbesserte Reaktionsfähigkeit der postsynaptischen Dopamin-D2/D3-Rezeptoren ist entscheidend für ein langfristiges emotionales Wohlbefinden. Wenn sie funktionieren wirken letzlich alle "serotonergen" und "noradrenergen" Stimmungsaufheller über den mesolimbischen Dopamin-Pfad, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß und mit unterschiedlicher Verzögerung. Selbst die (bescheidene) stimmungshebende Wirkung von SSRIs beruht auf einer Sensibilisierung des mesolimbischen Dopamin-D2-Rezeptors. Neue Anti-Parkinson Agentien, insbesondere die neuroprotektiven, für die Dopamin-D3-Rezeptor-Subtyp selektiven Wirkstoffe Pramipexol (Mirapex), Ropinirol (Requip) und Cabergolin (Dostinex) verdanken ihre potentielle Rolle als schnell wirkende prosexuelle Antidepressiva ihrer dopaminergen Wirkung. Ebenso ist die mögliche stimmungsaufhellende Wirkung kleiner Dosen des Dopamin-Rezeptor-Antagonisten Amisulprid (Solian) - ansonsten eher als antipsychotisches Agens betrachtet - damit erklärbar, dass Amisulprid vorzugsweise die präsynaptischen Dopamin-D2/D3-Autorezeptoren blockiert; die dopaminerge Transmission wird dadurch verbessert.

Die ganze Geschichte ist zwangsläufig komplex. Dopamin-Agonisten und Wiederaufnahmehemmer sind oft selbst unzureichende, langfristige Stimmungsaufheller. Das mesolimbische Dopamin-System vermittelt Belohnungs-Signale, Anreizhervorhebung, und einen Sinn für Dringlichkeit und Wichtigkeit, nicht die Essenz reinen Glücks. Dopamin an sich ist nicht die magische Glück-Chemikalie, obwohl seine funktionale Rolle in Verbindung mit Glutamat und Mü-Opioid-Agonisten bei der Regulierung der Medium Spiny-Neuronen in der rostromedialen Schale des Nucleus Accumbens entscheidend ist. Forscher im Bereich affektiver Störungen können sich vorschnell auf ein bestimmtes Neurotransmitter-System, dessen Rezeptor-Subtypen und Signaltransduktions-Kaskaden festlegen. Traditionell haben Serotonin und Noradrenalin die erbittertsten rivalisierenden Partisanen der Antidepressiva-Forschung angezogen. "Dopaminerge" (und Opioid-) Agentien sind dagegen suspekt. Sie sind, da potentiell "missbrauchbar", politisch inkorrekt. Darüber hinaus kann argumentiert werden, dass die Forschung und Entwicklung sicherer und nachhaltiger ecstasy-ähnlicher Empathogene und Geselligkeitsförderer moralisch mindestens ebenso dringlich ist wie die Zulassung von sicheren und nachhaltigen euphorisierenden Medikamenten. Auf jeden Fall bereichert eine erhöhte mesolimbische Dopamin-Ausschüttung, ausschließlich oder nicht, die Intensität des Erlebens, erhöht Genuss und Libido und verstärkt unter Umständen die kognitive Leistungsfähigkeit. Besser noch: Während manche Dopaminergika potentiell toxisch sind, haben einige dopamin-verstärkende Agentien unter Umständen auch neuroprotektive Eigenschaften.

Was sind also die anderen derzeitigen Möglichkeiten für chemische Lebensverbesserung?

METHYLPHENIDAT (RITALIN), MINAPRIN (CANTOR), NOMIFENSIN (MERITAL)
Ein SSRI kann mit einem Dopaminergikum wie Methylphenidat kombiniert werden ("erweitert" klingt wohltuender für das offizielle medizinische Ohr). Als Ritalin wird Methylphenidat in großem Umfang an amerikanische Schulkinder ausgegeben, zu den unterschiedlichsten Zwecken. Es wird bisweilen als Instrument für soziale Kontrolle missbraucht. Trotz seiner strukturellen Verwandtschaft zu Amphetamin, ähnelt Methylphenidat in vieler Hinsicht einer harmloseren Form des Kokain, jedoch mit einer wesentlich längeren Halbwertszeit. Methylphenidat blockiert die Wiederaufnahme der Katecholamine Noradrenalin und Dopamin, setzt diese jedoch nicht in größerem Umfang frei. Wenn es in Retard-Form eingenommen oder mit einem SSRI kombiniert wird, die alle auch Eigenschaften gegen Zwangsstörungen aufweisen, wird die Wahrscheinlichkeit einer Dosiseskalation minimiert. In Europa und Nordamerika nehmen Studenten bisweilen Ritalin, um in Prüfungen einen Wettbewerbsvorteil zu haben. Die langfristigen Auswirkungen auf das sich entwickelnde Gehirn sind jedoch kaum bekannt.

Das Kauen von Cocablättern zusammen mit etwas Natron ist eine nahrhafte und energiespendende Art, seine gesunde Stimmung zu erhalten. Leider ist es illegal und nicht sehr gut für die Zähne.

Eine etwas vorsichtigere, jedoch noch immer interessante Variante wäre Minaprin (Cantor). Minaprin blockiert die Wiederaufnahmen von sowohl Dopamin als auch Serotonin. In einem gewissen Ausmaß ist es auch cholinomimetisch. Daher kann es sowohl stimmungsaufhellende als auch nootropische Eigenschaften zeigen. Es ist noch viel Forschung notwendig. Leider ist Minaprin derzeit nur als "Forschungschemikalie" erhältlich.

Merital (Nomifensin) war vielversprechend als angenehm stimulierendes Dopaminergikum, das auch stark die Wiederaufnahme von Noradrenalin - und in einem deutlich geringeren Ausmaß - von Serotonin hemmt. Es wurde vom Hersteller Hoechst mit dem Slogan "Vive la difference!" vermarktet. Merital wurde nach Bekanntwerden seiner seltenen Nebenwirkung, schwerer Hämatologie, vom lizensierten Gebrauch zurückgezogen. Für retardierte Melancholiker jedoch war es in der Regel ein effektiver und gut verträglicher Stimmungsaufheller mit minimalen Nebenwirkungen. Das Risiko-Nutzen-Verhältnis seines sorgfältig beobachteten Gebrauchs ist womöglich falsch eingeschätzt worden. Nomifensin ist jetzt auch nur als Forschungschemikalie verfügbar.

BUPROPION (WELLBUTRIN), AMINEPTIN (SURVECTOR), TIANEPTIN (STABLON)
Bupropion (Wellbutrin) ist wahrscheinlich weniger wirkungsvoll als Nomifensin. Doch es ist nützlich, da es keine negativen Auswirkungen auf die Sexualfunktion hat, was für SSRIs charakteristisch ist. Bei einigen Versuchspersonen - inbesondere Frauen - können sich Libido, Erregbarkeit, sowie Intensität und Dauer des Orgasmus sogar steigern. Bupropion blockiert schwach die Wiederaufnahme von Dopamin, verringert jedoch dessen Ausschüttung. Dies mag Berichte über seine verminderte Tendenz zur Verursachung von Manien bei genetisch anfälligen Personen erklären. Die aktiven Metaboliten von Bupropion hemmen die Wiederaufnahme von Noradrenalin. Einer dieser Metaboliten, Radafaxin, blockiert darüber hinaus auch die Dopamin-Transporter. Radafaxin könnte künftig sowohl als Schlankheitsmittel wie auch als Antidepressivum vermarktet werden. Bupropion selbst, unter dem Markennamen Zyban, kann helfen, mit dem Rauchen aufzuhören. Skandalöserweise ist Bupropion in Europa nicht als Antidepressivum zugelassen, noch wird es vermarktet - obwohl Ärzte Zyban vielleicht "zulassungsüberschreitend" an depressive Nichtraucher verschreiben. Bupropion zusammen mit einem SSRI ist manchmal wirkungsvoller als einer der Agentien alleine. Im Juni 2006 hat die FDA Bupropion/Wellbutrin XL als erste pharmakologische Präventivbehandlung für Winterdepression (SAD) zugelassen.

Amineptin (Survector) ist ein (relativ) sauberer, selektiver Dopamin-Wiederaufnahmeblocker. In höherer Dosierung bewirkt er überdies Dopaminausschüttung. Amineptin wirkt prosexuell und ist bisweilen für die Verursachung von spontanen Orgasmen verantwortlich. Es ist ein leichtes, aber angenehmes Psychostimulans und ein schnell wirkender Stimmungsaufheller. Im Gegensatz zu den meisten anderen Trizyklika beeinträchtigt es weder die Libido noch die kognitive Funktion. Im Gegensatz zu typischen Stimulantien und anderen aktivierenden Agentien kann es sogar die Schlafarchitektur verbessern. Skandalöserweise wird Amineptin in Großbritannien und Amerika nicht vermarktet, noch ist es zugelassen. Man befürchtet, es könne ein "Missbrauchs-Potential" vorhanden sein. Der Druck der FDA hat dazu geführt, dass es auch in Europa zurückgezogen wurde. Amineptin wurde dadurch in den pharmzeutischen grauen Markt verdrängt, was Ärzte und Patienten gleichermaßen verunsichert.

Eine weitere "französische" Option ist Tianeptin (Stablon), ein Vetter von Amineptin. Tianeptin ist ein neuroprotektives Antidepressivum, das stressbedingte Nervenschädigungen und andauerndes Leid umkehrt. Chronischer Stress verursacht Dysphorie durch Auslösung der CRF2-Rezeptorstimulation der Dynorphinausschüttung. Das endogene Opioid-Peptid Dynorphin aktiviert die unangenehmen Kappa-Opioidrezeptoren. Tianeptin wirkt sowohl als nicht-sedierendes Anti-Angst-Agens wie auch als nicht-stimulierender Stimmungsaufheller. Seine Verwendung erhöht die extrazelluläre Dopaminkonzentration im Nucleus Accumbens und, in höherer Dosierung, im Frontallappen. Tianeptin ist der einzige selektive Serotonin-Wiederaufnahmeverstärker in der klinischen Medizin. Seine rätselhafte Wirkung als Antidepressivum zeigt, wie wenig die moderne psychiatrische Medizin in Wahrheit von Verstand, Stimmung und Depression versteht. Wie bei anderen zeitgenössischen Antidepressiva beruht die therapeutische Wirkung von Tianeptin wahrscheinlich auf nachgelagerten Adaptionen, die im Verlauf von mehreren Wochen sowohl zwischen als auch innerhalb der Neuronen auftreten. Die dauerhafte Verwendung von Tianeptin kehrt stressbedingte hippokampale dendritische Atrophie und amygdaloide dendritische Hypertrophie um, was genauso hässlich ist, wie es klingt. Doch die genauen molekularen Mechanismen sind unbekannt. Tianeptin/Stablon ist in Nordamerika nicht zugelassen, hauptsächlich, weil das Patent abgelaufen ist.

REBOXETIN (EDRONAX), ADRAFINIL (OLMIFON), MODAFINIL (PROVIGIL)
Reboxetin (Edronax) ist ein relativ gut verträgliches, relativ selektives "noradrenerges" Agens. Grob gesagt, während Serotonin eine wichtige Rolle für die Gestimmheit spielt, ist Noradrelin essentiell für den Erhalt von Schwung, Wachsamkeit und Belohnungsfähigkeit. Vieles deutet darauf hin, dass bei chronisch depressiven Menschen die noradrenergen Systeme dysfunktional und atypisch sind - insbesondere ihre Alpha2- und Beta-Adrenozeptoren. Reboxetin selbst hat in der Regel keine unterbrechende Wirkung auf die kognitive Funktion oder psychomotorische Leistung, wie es etwa bei älteren klinischen Stimmungsaufhellern der Fall ist - obgleich antimuskarinische Wirkungen leider noch nicht vollständig fehlen. Zahlreiche Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Monoaminsystemen machen es schwierig, ein Neurotransmittersystem anzusprechen, ohne zugleich eine Kaskade von Wirkungen bei den anderen auszulösen. Doch Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARIs) - und Dopaminergika wie Amineptin (Survector) - können besonders nützlich sein bei antriebsschwachen, "anergischen" Zuständen, wo die Kapazität zu anhaltender Motivation fehlt, sowie für melancholische Depressive mit einer geringen Fähigkeit, mit Stress zurechtzukommen. Reboxetin kann gefahrlos mit einem SSRI kombiniert werden, obwohl es Hinweise gibt, dass NARIs selbst - durch einen Mechanismus, der nicht von einer Wiederaufnahmehemmung abhängt - indirekt die zentrale Serotoninfunktion verbessern. Überraschender ist vielleicht, dass Vorstudien darauf hindeuten, dass Reboxetin sogar tranylcypromin-bedingte hypertensive Krisen abwenden kann. Der "Cheese-Effekt" wird durch das Essen von tyraminreichen Nahrungsmitteln ausgelöst. Daher sind NARIs plus MAOIs unter Umständen eine potente Kombinationstherapie, wenn die ersten Optionen fehlschlagen. EMSAM, das transdermale Selegilin-Pflaster ist wahrscheinlich die sicherste Wahl eines MAOI.

Depressive Hypersomniker, die mit SSRIs schlecht fahren oder nicht an Amineptin oder EU-zugelassenes Reboxetine herankommen, könnten stattdessen ein so genanntes Eugeroikum ("guter Wachmacher") in Betracht ziehen. Alpha1-adrenerge Agonisten wie Adrafinil (Olmifon) und Modafinil (Provigil, Alertec) sind zentral wirkende Psychostimulantien, die die Stimmung aufhellen und die geistige Konzentration schärfen können. Sie stimulieren die noradrenergen postsynaptischen Rezeptoren, verbessern die glutamaterge Transmission, aktivieren die wachheits-fördernden orexinergen Neuronen und unterstützen dabei Aufmerksamkeit, Gedächtnis, Stimmung, Motivation und Energie. Bei vernünftiger Dosierung treten bemerkenswert wenige Nebenwirkungen auf. Modafinil wurde von der FDA im Dezember 1998 als Provigil für die Behandlung von Narkolepsie zugelassen. Im September 2003 befürwortet eine Beratergruppe der FDA dessen Verwendung bei Schlafstörungen und Schlafapnoe von Schichtarbeitern. Doch die Bedeutung dieser Verschreibungsindikationen ist schnell erschöpft. Modafinil und Adrafinil werden nun hauptsächlich zulassungsüberschreitend als so genannte Lifestyle-Drogen verwendet.

Natürlich leiden viele Millionen Insomniker am gegensätzlichen Problem. Sie wollen einfach einen normalen Schlaf. Supracors neue Schlafhilfe Eszopiclon (Lunesta) kann auf unbestimmte Zeit täglich eingenommen werden. Es ist die erste Schlaftablette, die keine FDA-Warnung bezüglich langfristiger Verwendung tragen wird.

MIRTAZAPIN (REMERON), NEFAZODON (SERZONE), VENLAFAXIN (EFFEXOR) & DESVENLAFAXIN (PRISTIQ), DULOXETIN (CYMBALTA), ROLIPRAM, AGOMELATIN (VALDOXAN)
NARIs wirken normalerweise aktivierend. Ängstliche und depressive Insomniker dagegen können eher vom "doppelt wirksamen" Mirtazapin profitieren, oder vom neu zugelassenen Duloxetin.

Mirtazapin (Remeron) ist ein strukturelles Analogon von Mianserin (Bolvidon), dessen Patent abgelaufen ist. Es ist ein vergleichsweise neuer Arzneistoff - ein so genanntes NaSSA. Durch Blockieren der inhibitorischen präsynaptischen alpha-2-adrenergen Autorezeptoren und Stimulierung lediglich der 5-HT1A-Rezeptoren verbessert Mirtazapin die Noradrenalin- und Serotoninausschüttung, während es zugleich zwei bestimmte Serotonin-Rezeptoren (5-HT2 und 5-HT3) blockiert, die an dunkler Stimmung und Ängstlichkeit beteiligt sind. Dagegen ist die Stimulierung der 5-HT2A-Rezeptoren für anfängliche Ängstlichkeit, Schlaflosigkeit und sexuelle Störungen verantwortlich, über die bisweilen im Zusammenhang mit SSRIs berichtet wird; die Stimulierung der 5-HT3-Rezeptoren verursacht Übelkeit. Leider ist Mirtazapin auch ein potenter Histamin-H1-Rezeptor-Blocker. Es tendiert zu einer leicht sedierenden Wirkung. Dieses Profil könnte gut sein bei agitierter Depression oder Insomnie. Noch einmal: Es ist kaum ein Rezept für Lebensbejahung.

Nefazodon (Serzone) ist ein weiteres, "doppelt wirksames", hauptsächlich serotonerges Agens. Es hemmt die Wiederaufnahme von Serotonin, während es postsynaptischen 5-HT2A-Rezeptor-Antagonismus zeigt. Dies kann für ängstliche Depressive hilfreich sein; aber noch einmal: es kann das Gefühl von Schwachheit, Benommenheit und fehlender Energie hervorrufen. Nefazodon verursacht mit geringerer Wahrscheinlichkeit Priapismus als sein älterer Vetter Trazodon (Desyrel). Es verursacht mit geringerer Wahrscheinlichkeit sexuelle Dysfunktion als SSRIs. Jedoch kann Nefazodon, wenn auch selten, toxisch auf die Leber wirken. Es könnte sein, dass es, wegen drohender gerichtlicher Maßnahmen, vom Hersteller Bristol-Myers Squibb bald völlig vom Markt genommen wird.

Venlafaxin (Effexor) ist ein Phenethylamin. Daher ist es ein entfernter harmloser chemischer Vetter von MDMA. Seine Hersteller führten es als "Prozac mit Biss" ein. Im Februar 2008 ließ die FDA seinen retard-aktiven Metaboliten Desvenlafaxin als Antidepressivum Pristiq zu, nachdem Weyths Venlafaxin-Patent abgelaufen war. Venlafaxin hemmt die neuronale Wiederaufnahme von Serotonin, Noradrenalin und Dopamin in absteigender Stärke. Wenn dopaminerg erweitert, bietet es einen weiteren Ansatz für kreatvie Psychopharmakologie. Eine solche Augmentationstherapie ist klinisch noch immer (fast völlig) unerforscht. Allein und in niedriger Dosierung eingenommen wirkt Venlafaxin hauptsächlich als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. In den hohen Dosierungen, die für melancholische und hypersomnische Temperamente am geeignetsten sind, tritt seine noradrenerge (und schwach dopaminerge) Wirkung stärker hervor. Venlafaxin zeigt keine anticholinerge Wirkung, jedoch werden manche Benutzer von seinen antihistaminischen Nebenwirkungen geplagt. Wie die SSRIs ist es bisweilen nützlich für ein breites Spektrum von Störungen jenseits klinischer Depression.

Es ist möglich, dass Duloxetin (Cymbalta, Xeristar, Yentreve), zugelassen von der FDA im Herbst 2004, und Milnacipran (Ixel, Dalcipran, Toledomin), verfügbar in Europa, für einen Teil der Bevölkerung, der von dualer Serotonin-/Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung profitieren kann, wirksamer sind als Venlafaxin (Effexor). Insbesondere schmerzgeplagte Depressive könnten gut auf diese Medikamentenklasse ansprechen. Viele depressive Menschen leiden an unzureichend definierten Schmerzen und Qualen, an dauernder Müdigkeit, sowie Schulter-, Nacken- und Rückenschmerzen. Duloxetin lindert sowohl die körperlichen als auch die emotionalen Symptome der Depression. Im Gegensatz zu Venlafaxin entfaltet Duloxetin seine ausgewogenere Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmung über den gesamten Dosierungsbereich. Duloxetin hemmt überdies auch schwach die Wiederaufnahme von Dopamin und zeigt minimale Affinität zu den histaminergen und cholinergen Muskarin-Rezeptoren. Sein Nebenwirkungsprofil scheint relativ harmlos zu sein. Doch ein echtes Wundermedikament für geistige Gesundheit ist schwer zu finden. Frühe Erwartungen, dass Duloxetin bei melancholischen Depressiven überragende Wirkung zeigen würde, konnten in klinischen Studien noch nicht überzeugend erhärtet werden. Von der Schulmedizin schlecht bediente Opfer melancholischer und retardierter Depression fahren unter Umständen sogar besser mit dualen Noradrenalin-/Dopamin-Wiederaufnahmehemmern, wie dem delizensierten Nomifensin (Merital) und/oder Mü-Opioid-Agonisten / Kappa-Opioid-Antagonisten, wie Buprenorphin (Temgesic, Buprenex, Subutex). Duloxetin selbst dürfte sich wahrscheinlich als Blockbuster erweisen. Es wird sehr wahrscheinlich für alles mögliche vermarktet werden, von stressbedingter Harninkontinenz, sozialen Phobien und generalisierten Angststörungen bis zu peripherer diabetischer Neuropathie und womöglich Reizdarmsyndrom. Aber leider dauert es eine ganze Zeit, bis sich aus dem Rummel der Medikamentenhersteller der tatsächliche therapeutische Nutzen herauskristallisiert, in der Regel bis das Patent ausgelaufen ist.

Phosphodiesterase-Hemmer, sowohl selektive (z. B. der PDE-4-Hemmer Rolipram) als auch nicht-selektive sind eine weitere, viel zu wenig genutzte Möglichkeit. Die nächsten paar Jahrzehnte werden uns die intrazelluläre Kaskadenwirkung wesentlich näher bringen. Denn unser Geist wird letztendlich geheilt werden, genetisch oder anders.

Agomelatin (Valdoxan) ist ein neues Antidepressivum und Anti-Angst-Agens, entwickelt von Servier und in der Europäischen Union zugelassen im Februar 2009. Als synthetisches Analogon des natürlichen Hormons Melatonin ist Agomelatin ein potenter Melatonin-Rezeptoragonist und Serotonin-5-HT2C-Rezeptor-Antagonist. Die Blockade der neuralen 5-HT2C-Rezeptoren verbessert die frontokortikale adrenerge und dopaminerge Transmission und steigert unter Umständen die kognitive Leistung. Bei "Tiermodellen" reduziert Agomelatin auch die negativen Auswirkungen von Stress auf das Gedächtnis. Durch seine Wirkung als Melatonin-Rezeptoragonist, verbessert Agomelatin die Schlafqualität. Einmal täglich vor dem Zubettgehen eingenommen verursacht Agomelatin tagsüber keine Benommenheit und Sedierung, wie etwa die alten Trizyklika, noch beeinträchtigt seine Verwendung die Libido, wie es bei SSRIs der Fall ist. Agomelatin ist in der Regel gut verträglich und hat in therapeutischer Dosierung erstaunlich wenige negative Nebenwirkungen. Der Pharmariese Novartis hat 2006 die US-Rechte für Agomelatin von Servier erworben. Im Juli 2009 gab Novartis bekannt, dass sich die Einreichung des US-Zulassungsantrags weitere drei Jahre verzögert, während weitere Phase-III-Studien durchgeführt werden. Amerikanische Anwender müssen Agomelatin nun in Europa bestellen.

HYPERICUM
Hypericum ist aus einem anderen Grund insgesamt wichtig. Viele veranlagungsmäßig unglückliche Menschen möchten nichts mit der orthodoxen westlichen Medizin zu tun haben. Sie wollen überhaupt keine "unnatürlichen" pharmazeutischen Produkte einnehmen. Demzufolge sind sie einen Großteil ihres Lebens in einem armseligen psychochemischen Ghetto von gedrückter Stimmung gefangen. Die einzige Art Arznei, die einzunehmen sie überhaupt in Betracht ziehen, muss das Etikett "natürlich" und die besänftigende Beschreibung "pflanzlich" tragen.

Leider sind die meisten Volksheilmittel nur eingeschränkt wirksam. Unsere Arzneistoffwechsel-Enzyme sind das Produkt eines evolutionären Wettrüstens zur Bekämpfung von Pflanzengiften. Denn die Pflanzen bilden psychotrope Substanzen, um die Geschöpfe, die sie essen möchten, zu vergiften oder zu entkräften - nicht, um deren psychische Leiden zu heilen. Die Weisheit der Natur ist ein wundersames Stück Illusion. Perverserweise ist der Gebrauch vieler Naturarzneien, die manchmal tatsächlich wirken - insbesondere Cannabis Sativa, Erythroxylum Coca und Papaver Somniferum - heutzutage illegal. Andere "natürliche" Eingriffe, wie beispielsweise Lichttherapie in Kombination mit einer guten Schlafdisziplin können unter Umständen eingeschränkt wirksam sein. Doch zwei Möglichkeiten, die der Erklärung wert sind, sind SAMs und Echtes Johanniskraut.

Hypericum, der aktive Wirkstoff des Echten Johanniskrauts, scheint ein effektiver Stimmungsaufheller und Angstlöser zu sein - zumindest nach heutigen Standards. Sein Nebenwirkungsprofil und seine Wirksamkeit bei leichten bis mittelschweren Depressionen schneiden im Vergleich mit seinen synthetischen Gegenstücken gut ab. Hypericums Mischung von Serotonin-Wiederaufnahmehemmung und (leichten) MAO-hemmenden Eigenschaften (keine Kombination, die anderweitig mit potenten synthetischen Mitteln ausprobiert werden sollte: das Risiko eines fatalen Serotonin-Syndroms ist zu groß) trägt - nicht vollständig erklärbar - zu seiner allgemein gutartigen Wirkung bei. Noch einmal: Es ist noch wesentlich mehr Forschung nötig, vorzugsweise solche, die nicht von den Herstellern lukrativ konkurrierender Produkte finanziert wird. So ergab eine deutsche Studie, die im Februar 2005 im British Medical Journal veröffentlicht wurde, dass ein patentierter, standardisierter Hypericum-/Echter Johanniskraut-Extrakt wirkungsvoller und besser verträglich für die Behandlung mittelschwerer bis schwerer Depression sei als der SSRI Paroxetin (Paxil). Dies widerspricht dem negativen Ergebnis einer US-Studie von 2001, die vom Hersteller des SSRIs Sertralin (Zoloft) gesponsert wurde - und die zu dem Schluss kam, dass Êchtes Johanniskraut gegen mittelschwere bis schwere Depression nicht besser wirkt als ein Placebo. Das Vertrauen in die Integrität der biologischen Psychiatrie wäre größer, wenn nicht der größte Vorhersagefaktor des Ergebnisses einer jeden veröffentlichten klinischen Studie in der Identität der finanzierenden Körperschaft liegen würde. Ein im Oktober 2008 veröffentlichter Cochrane Review stellte fest, dass Hypericum-Extrakte bei der Behandlung von Depression ähnlich effizient sind wie Standard-Antidepressiva, jedoch mit weniger Nebenwirkungen.

INOSIT
Ein weiteres Arzneimittel, wenn auch in "unnatürlicher" Dosierung, ist der Erwähnung wert. Der Inosit-Spiegel ist bei depressiven Personen niedrig, bei euphorischen Personen hoch. Die Einnahme von Myo-Inositol als Nahrungsergänzung in einer Dosierung von 12g und mehr pro Tag ist vielleicht die erste erfolgreiche Anwendung der Präkursor-Strategie für einen Second Messenger statt eines Neurotransmitters auf der Suche nach langfristigen, stimmungsaufhellenden Agentien. Inosit und seine Derivate dienen als Botenmoleküle innerhalb des Nervensystems. Das Molekül selbst ist ein natürlich vorkommendes Isomer der Glukose. Es ist ein Schlüssel-Intermediat des Phosphatidyl-Inositol-Zyklus. Es handelt sich um ein Second-Messenger-System, das von etlichen noradrenergen, serotonergen und cholinergen Rezeptoren verwendet wird. Erwachsene Bewohner der westlichen Welt nehmen mit ihrer Nahrung in der Regel etwa 1 g Inosit pro Tag zu sich. Am reichhaltigsten ist Inosit in Früchten, Nüssen, Bohnen und Getreide enthalten. Die stimmungsverdunkelnde ("stabilisierende") Wirkung von Lithium bei manisch-euphorischen Personen könnte durch dessen inosit-verringernde Wirkung erklärbar sein. Unter Umständen ist Inosit, in hoher Dosierung, ein gutes Mittel zur Aufhellung des Geistes und zur Verringerung von Angst, sowohl bei "euthymischen" als auch bei depressiven Personen. Selbst Dosierungen von mehr als 50g verursachen angeblich keine toxischen Nebenwirkungen. Diese Kur sollte von Personen mit der Vorgeschichte einer bipolaren Störung nicht ohne Aufsicht in Angriff genommen werden. Wie üblich: Viel mehr Forschung wäre wünschenswert. Ein "Problem" liegt darin, dass natürlich vorkommende Verbindungen - wie Inosit und SAMs - nicht patentierbar sind. Die Aussicht auf hohe Gewinnmargen ist demnach reduziert, ein zügiger Fortschritt unwahrscheinlich.

DIE MAO-HEMMER

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sowohl einige der ältesten als auch die neuesten Medikamente zu verwenden, die Monoaminooxidase-Hemmer (MAOIs). Die älteren, irreversiblen MAOIs sollten natürlich auf keinen Fall mit SSRIs kombiniert werden. Es empfiehlt sich nicht, sie mit Stimulantien oder vielen anderen Medikamenten zu kombinieren. Doch sowohl die alten als auch die neuen MAOIs haben einige sehr interessante Eigenschaften. MAOIs können besonders nützlich sein für zurückweisungssensible, so genannte atypische Depressive mit "umgekehrten vegetativen Symptomen", also Überernährung und Hypersomnie.

Monoaminooxidase kommt in zwei Hauptformen vor, Typ A und Typ B. Sie werden von unterschiedlichen Genen kodiert. MAO kann durch Agentien gehemmt werden, die entweder reversibel oder irreversibel arbeiten, selektiv oder unselektiv; diese Kategorien sind nicht absolut. Zum Beispiel sind die Beta-Carbolin-Alkaloide im beliebtesten Getränk der Welt, dem Kaffee, kompetitive und reversible Hemmer von sowohl MAO-A als auch MAO-B. MAO-A deaminiert bevorzugt Serotonin und Noradrenalin, sowie nicht-selektiv Dopamin; MAO-B metabolisiert in erster Linie Dopamin, Phenylethylamin (das "Schokoladen-Amphetamin") und verschiedene Spurenamine.

Die stimmungshebenden Eigenschaften der MAOIs wurden ganz zufällig in einem US-Veteranen-Hospital Anfang der 1950er entdeckt. Viele Patienten, die das Anti-Tuberkulose-Medikament Iproniazid nahmen, wurden nicht nur von ihrer Tuberkulose geheilt. Sie fühlten sich auch ungewöhnlich glücklich. Der angeregte Lebens-Enthusiasmus eines zuvor launischen Haufens alter Soldaten erfüllte deren Ärzte mit Unbehagen. Es stellte sich heraus, dass deren neu gewonnene Euphorie nicht nur eine durchaus verständliche Reaktion auf die Heilung von ihrer körperlichen Krankheit war. MAOIs haben in der Regel auch stimmungsaufhellende Eigenschaften. Zu dieser Zeit gab es keine anerkannte und klinisch wirksame Behandlung für Depressionen. Zum Glück wurden über die üblichen umständlichen Wege schließlich die richtigen Schlüsse gezogen. In der Folge wurden Millionen Menschen erfolgreich mit MAOIs behandelt.

Leider wurde die Rolle der Monoaminoxidase bei der Deamination von Tyramin (von griechisch "tyros", Käse) zunächst nicht verstanden. Bestimmte, mit MAOIs behandelte Patienten erlitten eine hypertensive Krise, nachdem sie unterschiedliche Mengen tyraminreichen, reifen Käse gegessen hatten; etliche starben. Es ist heute erwiesen, dass bei der Anwendung von MAOIs, die sowohl irreversibel als auch unselektiv sind, bestimmte Ernährungsrichtlinien eingehalten werden müssen. Doch die negative Öffentlichkeitswirkung der anfänglichen, unerklärlichen Todesfälle in Verbindung mit der Einführung einer Reihe von schmutzigen, jedoch manchmal einigermaßen wirksamen, trizyklischen Wirkstoffen, brachten die Verwendung und den Ruf der MAOIs auf eine steile Talfahrt, von der sie sich bis heute noch nicht ganz wieder erholt haben. Die älteren, nicht-selektiven und (mehr oder weniger) irreversiblen Hemmer Tranylcypromin (Parnate), Phenelzin (Nardil), Isocarboxazid (Marplan) sind nichtsdestotrotz wertvolle Antidepressiva. Außerhalb von Amerika wird auch der selektive und reversible MAOI Moclobemid verwendet. Von noch größerem Interesse sind die ZNS-selektiven Verbindungen, insbesondere das neuroprotektive Antidepressivum und Anti-Alzheimer-Medikament TV3326 (Ladostigil). MAOIs, denen die peripheren Wirkungen der derzeitig erforschten Medikamente fehlen, öffnen ein aufregendes Fenster neuer therapeutischer Möglichkeiten.

SELEGILIN (L-Deprenyl, ELDEPRYL, EMSAM)
Eine neue New Yorker Studie hat gezeigt, dass Raucher durchschnittlich 40% weniger des Enzyms Monoaminoxidase Typ B in ihrem Gehirn haben als Nichtraucher. Das Niveau ging auf das Normalmaß zurück, wenn das Rauchen aufgegeben wurde. Das zusätzliche Dopamin in den Synapsen wirkt nicht nur belohnend. Das Maß an MAO-B-Hemmung, dessen sich Raucher erfreuen, trägt offenbar dazu bei, dass sie seltener an Parkinson und Alzheimer erkranken. Leider sind sie dafür verantwortlich, dass sie schon verfrüht und auf schreckliche Weise an anderen Krankheiten sterben.

Eine Möglichkeit, die der dopamin-gierige Nikotinabhängige vielleicht probieren möchte, ist ein Wechsel zum (relativ) selektiven MAO-B-Hemmer Selegilin, besser bekannt als L-Deprenyl. Normalerweise sterben im Erwachsenenalter pro Jahrzehnt etwa 13% der insgesamt 30- bis 40-Tausend unersetzbaren dopaminergen Zellen im Gehirn ab. Ihr Absterben vermindert Qualität und Intensität des Erlebens. Es verringert auch das, was in ontologisch unbedarfteren Zeiten als Lebenskraft bezeichnet wurde. Ein Verlust von etwa 80% der Dopamin-Neuronen führt zur Parkinson'schen Krankheit, häufig angekündigt durch Depressionen. In der Zukunft kann eine stimmungsverbessernde Transplantation von angepassten Stammzellen dopamin-erschöpften älteren Menschen vielleicht die jugendliche Lebensfreude zurückgeben: solche aus Stammzellen erzeugten monoaminergen Transplantate sind derzeit nur für depressive Nagetiere erhältlich. Deprenyl hat antioxidative, immunsteigernde und Dopaminzellen-schonende Wirkung. Seine Verwendung erhöht den Spiegel von Tyrosinhydroxylase, Wachstumshormonen, Superoxiddismutase und die Produktion von Schlüssel-Interleukinen. Deprenyl bietet Schutz gegen DNA-Schädigung und oxidativen Stress durch das Fangen von Hydroxyl- und Peroxyl-Radikalen, sowie gegen excitotoxische Schädigung durch Glutamat.

Was auch immer die vollständige Erklärung sein mag, deprenyl-gesteuerte MAOI-Anwender sind, im Gegensatz zu Zigarettenrauchern, wahrscheinlich in der Lage, deren charakteristische Vorteile für eine lange Zeit auszukosten, vermutlich länger als deren medikamentennaive Zeitgenossen. In niedriger Dosierung erhöht Deprenyl die Lebenserwartung, zumindest von Ratten, um 20% und mehr. Es verbessert Antrieb, Libido und Motivation, schärft die kognitive Leistungsfähigkeit, sowohl subjektiv als auch in einer Reihe objektiver Tests, dient als nützliche Ergänzung bei der palliativen Behandlung von Alzheimer und Parkinson, und sorgt auch noch dafür, dass Sie sich gut fühlen. Es wird erfolgreich bei der Behandlung des Canine Cognitive Dysfunction-Syndroms (CDS) bei Hunden angewandt. In Dosierungen von 10mg pro Tag oder weniger behält Deprenyl seine Selektivität für das MAO-B Isoenzym. In MAO-B-selektiver Dosierung ruft Deprenyl nicht den "Cheese-Effekt" hervor; Tyramin wird auch von MAO-A abgebaut. Deprenyl macht nicht abhängig, was wahrscheinlich an seinem anderen Zufuhrmechanismus und der im Vergleich zum Inhalieren von Tabakrauch verzögert einsetzenden Belohnung liegt. Im November 2004 haben Forscher an der Yale University eine Deprenyl-Studie mit Rauchern begonnen, die mit dem Rauchen aufhören möchten. Ob die Regierung die Millarden Pfund an verlorenen Einnahmen und eine anschwellende Bevölkerung von energetischen Nicht-Steuerzahlern begrüßen würde, den eine Veränderung der MAOI-Gewohnheiten der Menschen mit sich bringen könnte, ist unklar.

L-Deprenyl/Selegilin kann nun mit einem transdermalen Pflaster verabreicht werden. Im Dezember 2004 gaben die Pharmafirmen Bristol-Myers Squibb und Somerset Pharmaceuticals bekannt, dass sie eine Vereinbarung getroffen haben, EMSAM zu vertreiben und zu kommerzialisieren - die erste transdermale Behandlungsmethode gegen Depression. Nach verschiedenen Verzögerungen bewilligte die FDA im Februar 2006 eine Produktlizenz für EMSAM zur Behandlung von Depressionen bei Erwachsenen. EMSAMs pharmakokinetische und pharmakodynamische Eigenschaften begünstigen die Hemmung von MAO-A und MAO-B im ZNS, während eine signifikante Hemmung des Darm- und Leber-MAO-A-Enzyms vermieden wird. Das EMSAM-Pflaster wird derzeit in drei verschiedenen Stärken vertrieben: 20mg/20cm2, 30mg/30cm2 und 40mg/40cm2, für Tagesdosen von 6mg, 9mg bzw. 12mg. In der niedrigsten Dosierung von 6 mg/24h erfordert EMSAM keine Ernährungsumstellung. In dieser Dosierung ist MAO-A im Verdauungstrakt in ausreichendem Maß vorhanden, damit Tyramin abgebaut werden kann, während MAO im Gehirn in ausreichendem Maß gehemmt wird, um eine antidepressive Wirkung zu erzielen. Eine einschränkende "MAOI-Diät" ist für die höheren Dosierungen von EMSAM (9 mg/24 h und 12 mg/24 h) vernünftigerweise angeraten, um das Risiko einer hypertensiven Krise abzuwenden. Es sollte jedoch angemerkt werden, dass (ab September 2010) selbst mit den hochdosierten Pflastern keine hypertensiven Krisen infolge der Nichtbeachtung von Ernährungsvorschriften bekannt geworden sind.

RASAGILIN (AZILECT)
Im Gegensatz zu Deprenyl wird der neue irreversible, selektive MAO-B-Hemmer Rasagilin (Azilect) nicht zu Methamphetamin oder Amphetamin metabolisiert. Diese Spurenamine tragen wahrscheinlich nicht zur neuroprotektiven Wirkung von Deprenyl bei. Rasagilin erhielt Mitte 2005 eine EG-Produktlizenz als Azilect für die Symptombehandlung der Parkinson'schen Krankheit. Im Mai 2006 erhielt Azilect schließlich eine US-Produktlizenz. Im August 2008 gab Teva vielversprechende Ergebnisse aus der Spätphase einer 18-monatigen Phase-III-Studie mit Rasagilin bekannt. Parkinson-Patienten, die vom Beginn der Studie an täglich eine 1mg-Tablette Azilect einnahmen, zeigten eine "deutliche Verbesserung" gegenüber Patienten, die erst neun Monate später mit der Einnahme von Azilect begannen.

MOCLOBEMID (MANERIX, AURORIX)
Die Menschen haben jetzt die Möglichkeit, jeweils das eigene individuelle Ausmaß an Aktivität bzw. Hemmung der beiden Haupt-Monoaminoxidasen zu bestimmen. Dies ermöglicht zwar nicht ganz die Feinabstimmung der Persönlichkeitsvariablen mit dem funktionalen Äquivalent eines Equalizers. Aber immerhin ist es ein vielversprechender Anfang. Bei der MAO-Hemmung ist, wie im Leben, mehr nicht immer besser. Übermäßig hohe Dosierung von L-Deprenyl beispielsweise kann die Lebenserwartung sogar verkürzen, statt verlängern - zumindest bei Parkinson-Patienten, wenn es mit Levodopa kombiniert wird. Und Werte oberhalb 80%-iger Hemmung der MAO-A können zu einem starken und möglicherweise ungewollten Fall der Dopaminsynthese führen. Das Beheben der Knauserigkeit der Natur wird für die kommenden Jahrzehnte Priorität haben.

Moclobemid (Manerix, Aurorix), der "sanfte" MAOI ist ein sowohl selektiver als auch reversibler Hemmer der MAO-A. Es ist der erste RIMA mit klinischer Akzeptanz. Moclobemid hat keine anticholinergen Nebenwirkungen. Es fördert das gesunde Wachstum neuer Neuronen im Hippocampus. Es erfordert keine diätischen Einschränkungen. Es verbessert nicht nur Stimmung und Widerstandskraft. Denn Moclobemid ist, aufgrund der Art und Weise, wie es die Serotonin-Funktion verbessert, oft hilfreich bei der Überwindung von sozialen Phobien, Panikstörungen, Symptonen einer Zwangsstörung, Reizbarkeit und Aggression. (Gelegentliches Geschwafel wie beispielsweise "verbesserte X-Funktion" warnt den Leser zu Recht davor, dass viele Komplikationen umgangen oder ausgelassen wurden.) Wer nach den genaueren technischen Details eines unpopulären Berichts hungert, kann sicher sein, dass die Literatur ihn reichlich mit Informationen füttern wird.

TRANYLCYPROMIN (PARNATE)
Sanftheit passt nicht für jeden. Moclobemid ist nicht geeignet, tiefe Melancholie zu beseitigen. Tranylcypromin (Parnate) andererseits ist einer der älteren und nicht-selektiven MAOIs - und ist trotzdem oft nicht schlechter. Strukturell verwandt mit Amphetamin ist Tranylcypromin in der Regel der stimulierendste, dopaminergste und einer der am schnellsten wirkenden MAOIs. Einigen Ärzten sind seine Eigenschaften unbehaglich. Das liegt nicht nur an den diätischen Einschränkungen, die bei seiner Verwendung erforderlich sind. In entsprechender Dosierung kann Tranylcypromin leichte Euphorie verursachen, selbst bei "normalen" Versuchspersonen. Die Verwendung von Tranylcypromin vermehrt die Spurenamine, moduliert den Phospholipid-Metabolismus und regelt die GABA(B)-Rezeptoren hoch. Tatsächlich, und das gilt für alle hier aufgeführten Verbindungen, variieren seine Wirkungen hinsichtlich Art und Ausmaß von Person zu Person. Optimale langfristige Medikation und Dosierung können gewissermaßen nur durch (vorsichtige) empirische Selbstbeobachtung ermittelt werden.

Tranylcypromin ist Amphetaminen und Kokain natürlich in den meisten Fällen vorzuziehen. Doch oft ist verkehrterweise das gefährlichere Medikament in unserer Gesellschaft einfacher zu bekommen. Der krebserregende Cocktail, der mehr Menschen mit sich nimmt als alle anderen Toxine zusammen, kann legal und ohne Aufwand in jedem Tabak- und Zeitschriftenladen erworben werden. An die weniger tödlichen - aber kaum sozial wünschenswerten - Straßen-Opioide und Psychostimunatien zu kommen, bedarf ein wenig größerer Anstrengung. Doch auch sie können ohne Weiteres in den Kneipen und Clubs aller größeren Städte gekauft werden. Dagegen sind viele der wohltuenderen Medikamente, über die hier gesprochen wurde, nicht zugelassen, "in Untersuchung" oder verschreibungspflichtig. Es ist nicht illegal, sie zu besitzen. Aber sie sind schwer zu bekommen, außer in Ländern, wo sie rezeptfrei erhältlich sind, oder über Online-Apotheken mit zweifelhaften Ruf.

Wäre das zentrale Prinzip, das hier auf dem Spiel steht, die Bewahrung einer medikamentenfreien Gesellschaft, dann könnte eine Art totalitäre (oder euphemistischer gesagt, paternalistische) Argumentation zusammengeschustert werden, um die persönliche Freiheit derart repressiv zu verletzen. Doch das ist kaum der Fall. Denn in den meisten Fällen geht es nicht um Medikamente oder nicht, sondern darum, dass die Menschen sich die besseren aussuchen können. Etwa 80% der Bevölkerung in den westlichen Ländern trinken derzeit Äthylalkohol oder rauchen Zigaretten, oft sogar beides. Ob man es hinsichtlich Sterblichkeit, Krankheitsziffer oder allgemeiner Lebensqualität betrachtet, es würde uns besser gehen, wenn wir stattdessen - mit den relativ sicheren, wenn auch groben, Agentien, die hier gestreift wurden - die rezeptor-subtyp-selektiven dopaminergen, opioidergen, serotonergen und cholinergen Funktionen verbessern würden; oder vielleicht mit den aufregenderen Produkten, die sich in Entwicklung befinden. Zumindest sollten die Menschen nicht auf gesetzlichem Weg der Möglichkeit beraubt werden, dies zu tun.

Diese Wahlfreiheit ist nicht die gängige Meinung. Es dürfte sich herausstellen, dass die medizinische Sachkenntnis, die man benötigt, um fundierte Entscheidungen zu treffen, über die eines durchschnittlichen Laien hinausgeht. Eine quasi-priesterliche medizinische Kaste, die die Macht über den Rezeptblock ausübt, wird zweifelsohne wollen, dass es so bleibt. Doch die innewohnenden Schwierigkeiten und Komplexität von Psychopharmakologie oder Ernährungsmedizin erfordern keine größeren geistigen Anstrengungen als, sagen wir zum Beispiel, all die Tausend grauenhaft unnatürlichen Stunden, die Schüler mit dem Lernen von Mathematik zubringen. Überdies ist es wesentlich interessanter, etwas zu lernen, das eindeutig relevant für das eigene emotionale Wohlbefinden ist, als etwas, bei dem dies nachweislich nicht der Fall ist. Die Vorstellung eines Erziehungssystems, das darauf abzielt, Menschen im und fürs Glücklichsein zu schulen, würde Anhängern der herrschenden Erziehungs-Orthodoxie gleichwohl abscheulich vorkommen, wäre es nicht derart unvorstellbar.

ARBEITEN FÜR EINE MEDIKAMENTEN-FREIE ZUKUNFT
Nehmen Sie einen Moment lang an, dass dem reproduktiven Erfolg unserer DNA am besten gedient gewesen wäre, wenn sie verzückt glückliche Vehikel statt von Unwohlsein geplagte emotionale Slum-Bewohner hervorgebracht hätte. Wäre dies der Fall gewesen, so wäre keiner der pharmakologischen Eingriffe, die im Guten Medikamentenführer besprochen wurden, notwendig. Lebenslanges Wohlbefinden würde einem nur "natürlich" erscheinen. Wir würden alle ein herrlich erfülltes Leben genießen. Jeder Tag wäre animiert von Graden des Glücks. Unangenehme Gemütsverfassungen würden als tragische Anomalien angesehen. Schlechte Gedanken und Gefühle könnten als eine sonderbare, aber klinisch heilbare Art von Psychopathologie diagnostiziert werden.

Natürlich war es anders. Stattdessen war der inklusiven Fitness unserer Gene gedient, indem auf "natürliche" Weise einige der übelsten psychischen Adaptionen entstanden sind, die man sich nur vorstellen kann. Traurigkeit und Angst sind "normal". Unzufriedenheit ist "adaptiv". Der tägliche emotionale Schmerz ist Teil dessen, "was uns menschlich macht".

Die Fäulnis geht tiefer. Die egoistische DNA kann, selbst heute noch, wo sich eine biotechnische Revolution entfaltet, auf zahllose Betrogene zählen, die als ihre distalen Vertreter fungieren. Die Notwendigkeit von "charakter-bildendem" emotionalen Schmerz wird mit allen möglichen Sophistereien gerechtfertigt, sowohl religiösen als auch profanen. Leiden ist gut für dich, wird einem gesagt. Es gehört alles zum reichen Erscheinungsbild des Lebens.

In Wahrheit existiert Leiden nur deshalb, weil es gut für unsere Gene war. Bedingt aktivierte negative Emotionen verbesserten in der Umwelt unserer Vorfahren die Fitness. Heutzutage dienen die Verfechter des emotionalen Schmerzes als naive Sprachrohre der hässlichen Teile jenes Codes, der sie hervorgebracht hat. Wenn sie gezwungen wären, würden die unwissentlichen Fürsprecher der primordialen DNA wahrscheinlich jegliche solche Verbindung abstreiten. Doch wenn man bewusst eine intelligente, roboterhafte Überlebensmaschine konstruieren würde, so würde sich, wenn man diese mit der Illusion eines freien Willens ausstattet, dies als hoch fitnessverbessernde Adaption herausstellen. Es ist ein Trick, auf den unsere Gene gestoßen sind, und den sie dann blindlings ausgebeutet haben.

Zum Glück wird die Menschheit während der nächsten paar Jahrhundert in der Lage sein, ihre alten genetischen Vorlagen auszutricksen. Unser derzeitiger Status als genetische Wegwerf-Vehikel wird schließlich untergraben sein. Wenn Grade himmlischen Wohlbefindens zur genetisch vorherbestimmten Norm geistiger Gesundheit werden, dann dürfte allein die Vorstellung, an unserer neu gewonnenen "natürlichen" Verfassung herumzupfuschen und uns zu "bedröhnen" schon unmoralisch erscheinen, oder vielleicht sogar pervers. Weshalb sollte irgendjemand die göttliche Verzücktheit seines spirito-biologisch Seelengewebes mit chemischen Schadstoffen verseuchen wollen? Nein danke.

Die derzeitigen verdrehten Opfer des primordialen genetischen Codes hingegen betrachten die Vorstellung, ihren natürlichen Seinszustand mit psychoaktiven Medikamenten zu beflecken, mit einer viel tiefer sitzenden Ambivalenz. Sie nehmen es als beinahe universelle Praxis an. Angesichts der Unzulänglichkeit der angebotenen drittklassigen pharmakologischen Notbehelfe und des Fehlens einer jeglichen seriösen Medikamentenschulung, verwundert es kaum, dass wir nur so wenig Gebrauch davon machen. Daher haben betroffene Eltern sicher Recht, wenn sie sich wegen der wertlosen Straßendrogen Sorgen machen, die ihre Kinder nehmen. Im frühen 21. Jahrhundert ist "Sag einfach nein" oft noch immer eine gute Faustregel. Doch mit den richtigen neuen Genen und Designer-Drogen gibt es keinen Grund, weshalb das reife post-darwin'sche Leben nicht einfach immer besser werden sollte.


David Pearce
(zuletzt aktualisiert im September 2010)
with many thanks to translator Stefan Meid. See too 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9

Hinweise
und weitere Literatur

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Die transhumanistische Erklärung
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Transhumane und Transhumanisten
Die reproduktive Revolution (Deutsch)
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